in

pornosüchtig? nicht wirklich. aber luftsüchtig bin ich, frau doktor…

Es ist immer attraktiv, vor der Öffentlichkeit als ehemalige(r) Süchtige(r) aufzutreten. „Früher hab ich’s gebraucht, jetzt steh ich ja soooooo was von drüber. Weil ich mich inzwischen psychisch, physisch, emotional, inhaltlich und ach so heldenhaft von der Sache befreit habe. Damit habe ich einen groooooossen Schritt vorwärts getan. Und diesen möchte ich euch allen ebenfalls ans Herz legen. Glaubt mir, ich weiss, wovon ich spreche…“

Was für eine grandiose Zurschaustellung erworbener Reife. In den Seventies und Eighties hat man diese Nummer vor allem im Zusammenhang mit harten Drogen gemacht. Das ist für heutige Verhältnisse natürlich viel zu wenig spiessig:

Heutzutage musst du operationssüchtig sein oder kaufsüchtig – oder bestenfalls süchtig nach Pornos -, wenn du als so genannter Promi (oh, wie ich dieses Wort hasse) medial etwas losmachen willst.

Neustes mir bekanntes Beispiel aus dem Deutschen Sprachraum sind die Bekenntnisse eines „Stars“ zu seiner, anscheinend überwundenen Pornosucht. Eines „Stars“, der erst noch ein Mit-Eidgenosse ist – und sich für einen Aufenthalt in jenem Straflager entschieden hat, welches ein privater Fernsehsender aus Deutschland in den Tropen so erfolgreich betreibt.

Persönliche Bekenntnisse im Straflager! Das passt eigentlich super zusammen. Das hat so einen richtig ekligen Gulag-Geruch, einen Inquisitions-Touch. So unter dem Motto: Wenn wir ihn nur genug quälen, packt er dann schon aus… Aber vielleicht lügt er ja nur.

Pornosucht. So ein doofer Begriff. Man könnte auch ganz flott Pornokrankheit – Morbus Porno – sagen, dies wäre dem Pathologisierungswahn unserer Tage durchaus angemessen. Doch Sucht scheint momentan die Köngiskrankheit zu sein, die grösste Bedrohung unserer Freiheit und unbedingt behandlungsbedürftig. Das rechtfertigt doch eine schöne Hexenjagd…

Oder sind es in Wirklichkeit die Jäger und Behandler, die es auf unsere Freiheit abgesehen haben?

Steckt hinter der Jagd auf Raucher, Trinker, auf Leute, die zu fett essen, auf die Computerspielsucht, Pornosucht, Sexsucht eine Art Charade, die verbergen soll, dass es in Wirklichkeit die pure Gier nach Geld und Macht ist, die schlimmste Sucht von allen, welche den, von den Mächtigen unserer Zeit begünstigten, gesellschaftlichen Mainstream antreiben soll? – Garniert mit einer beispiellosen inhaltlichen Leere, ganz im Sinne der zynischen Profiteure eines solchen Systems, die zumeist selber, und da bin ich mir sicher, nicht gerade gesunde Motive haben – und schon gar keine Kultur, geschweige denn eine anständige Pornokultur.

Denn alle Lust will Ewigkeit

Doch was ist Sucht? Zunächst mal beschreibt dieses Wort, ganz wertfrei betrachtet, Dinge, die wir regelmässig tun müssen, weil es uns sonst verdammt dreckig geht. Nun, der Mensch ist ganz grundsätzlich ein Wesen, welches nur in Abhängigkeit von komplexen Systemen überleben kann. Wenn beispielsweise die Schwerkraft mal für ne Stunde pausieren würde, wäre auf unserem blauen Planeten sogleich der Ofen aus – und wir könnten nichts dagegen tun.

Der Mensch ist zudem ein Wesen, das am Ende sterben muss. Das sollten wir keineswegs vergessen, weil es in dieser Hinsicht (ausser dem Grafen von St. Germain, aber mit dem beschäftigen wir uns ein anderes Mal) keine Ausnahmen gibt.

Luft, Wasser, Essen – von diesen drei Dingen sind wir primär abhängig, weil wir sonst verrecken. Stell dir vor, die Luft wird knapp, du kannst nicht mehr atmen – dann bleiben dir etwa drei Minuten Zeit, um einen Luft-Dealer zu finden. Du wirst ihm wahrscheinlich jeden Preis für eine Tüte des lebenserhaltenden Gasgemischs bezahlen, weil es dein übermächtiger Überlebensdrang so will. Für Trinkwasser gilt ähnliches, ich sehe den Tag bereits heraufdämmern, an dem wir einen mächtigen weltweiten Konzern für jeden Schluck bezahlen müssen.

Aber, das mit dem Atmen und dem Trinken sind doch ganz natürliche Prozesse, kannst du jetzt einwenden, das hat doch nix mit Porno-, Drogen- oder Fresssucht zu tun. Ja klar, antworte ich dann, aber sie stellen eben gleichzeitig auch ganz natürliche Abhängigkeiten dar, ganz besonders starke sogar.

Will sagen: Abhängigkeit ist für uns Menschenkinder nicht die Ausnahme, sondern die Regel! Von Anfang an.

Jaja, das Menschenleben ist erstens endlich, zweitens auf Abhängigkeiten gegründet, zudem ist es saumässig fragil. Das sind Tatsachen, die wir im Alltag nicht permanent vor Augen haben wollen. Weil sich sonst leicht ein Element der Resignation einschleichen könnte. Aber tief innen wurmt’s uns halt schon. Angesichts dieser eher harten Realitäten, gibt es zum Glück noch jene zweite Ebene: In jede und jeden von uns ist nämlich ein starker Drang eingebaut, der ewiges Leben will – und dies auch noch bei unablässigem Vergnügen.

Genau das hat Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) mit jener berühmten Zeile angesprochen: „Denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit…“

Scheiss auf Morgen…

Und tatsächlich scheint in alle Lust ein Element der Ewigkeit eingewoben zu sein, so ein „Scheiss-auf-Morgen-wir machen-es-jetzt-und-vergessen-dabei-alles-Element“ – und dies gilt ganz besonders für Sex.

Wobei es Besäufnissen und Drogentrips auch nicht schlecht ansteht…

Gerade handelsübliche Hardcore-Pornos bedienen diesen tiefen Wunsch nach Ewigkeit in exemplarischer Weise, weil ihre Dramaturgie uns ein Universum präsentiert, in dem permanent Sex gemacht, in dem jedes Loch immerzu gestopft wird, eine gut geölte, problemfreie Ewigkeitszone der Lust. So weit, so wünschenswert. Das einzige Problem bei der Realisierung eines derartigen Szenarios im Alltag, ist der Umstand, dass unsere Körper da leider nicht vollumfänglich mitmachen. Wir können die Biomaschine zwar mittels Tantra, Drogen, Medikamenten antreiben, doch irgendwann ist finito – und wir sind trotzdem nicht vollumfänglich befriedigt.

Deshalb hat sich der famose Exzentriker und Magier Aleister Crowley (1875 – 1947), ein Decadent von Gottes – oder war es des Teufels? – Gnaden, immer gewünscht, zu guter Letzt so lange Sex zu haben, bis er vor lauter Erschöpfung daran stirbt.

Porno verspricht gewissermassen ein Stückchen Ewigkeit, ein künstliches Paradies – aber dies tun die meisten Religionen auch! Eigentlich sind wir nämlich alle süchtig, nach ewiger Lust, damit müssen wir leben. Aber nur bis zu unserem Tod!

Reife könnte ja auch bedeuten, dass man sich erstens mit drei Tatsachen abfindet: Der relativen Befriedung, die das Leben bietet, welche nie ganz komplett sein kann, dem eigenen Ableben und der eigenen – sowie allgegenwärtigen – Widersprüchlichkeit, dass man aber zweitens trotzdem weiterhin manchmal nach Ewigkeit strebt, in jenen heiligen Momenten, die unser Leben in die Transzendenz treiben, egal, ob diese nun durch einen mächtigen Banana Split, ein religiöses Ritual, ein grosses Bier, einen dicken Joint oder einen paar gaaaaaanz hohe Stiefel zustande kommt…

Uns Menschen bleibt ja doch nicht anderes übrig, als das eine zu tun – und das andere nicht lassen zu können. Aufgrund dieser Tatsache könnte man ein angenehmeres Gesellschaftssystem schaffen, als auf einem Sumpf aus überkommenen Moralvorstellungen, denen wir in Wirklichkeit nicht eine Sekunde lang genügen können. Ein System, dass der Widersprüchlichkeit, welche unsere Realität prägt, Rechnung tragen würde, das wäre mal ein echter Fortschritt! Die Leutchen, die am lautesten nach Konsequenz schreien, sind – so meine Beobachtung – immer jene, die selber von den schlimmsten Dämonen der Inkonsequenz gejagt werde!

Perverse Kompensationen

Wir wollen halt ewig weitermachen, wenn es gerade lustvoll zugeht. Nach dem Sterben sehnen wir uns hingegen nur dann, wenn wir beschissen drauf sind. Ein menschliches Urdilemma. Eine Lösung, die schon verdammt lange auf dem Markt ist, stellt das posthume Versprechen dar. Wir versagen uns die Vergnügen dieser Welt – dafür gibt’s dann nach dem Tod eine Wahnsinnssause (z.B. Christentum, Islam) – oder immerhin eine markante Verbesserung (z.B. Hinduismus, Buddhismus).

Die Leute, die sich so richtig auf diesen Deal einlassen, haben das Gefühl, jeder unstatthaften Lust deshalb abzuschwören, weil sie sich auf das Jenseits, das Paradies, auf Moksha oder Nirvana freuen. Mir persönlich scheint dies aber eine recht menschliche, allzumenschliche Illusion zu sein. Aus der Dämonisierung der Lust, und es handelt sich dabei ja meist primär um die sexuelle Lust oder die Lust am Masslosen, erwachsen nämlich bekanntermassen oft mannigfaltige perverse Kompensationsmotive: Unendliche Rechthaberei kann grosse Lust bereiten, auch die Verfolgung und Quälerei von Andersdenkenden taugt für viele zum Genuss. Ja sogar, wenn man sich die Lust versagt und innerlich versauert, kann dies in einem masochistischen Sinn lustvoll sein…

Auf solchen Motiven sind die meisten Religionen und strengen Ideologien dieser Welt gebaut. Die Sucht nach Unlust, Selbstverleugnung und posthumen Paradiesen soll unser Leiden an der Endlichkeit der Lust lindern. Eigentlich ganz schön trostlos… Aber natürlich absolut statthaft, wenn man die Leute, die es anders sehen und anders leben, trotzdem in Ruhe lassen kann. Doch wer an der Nadel der Moralinsäure hängt, scheint dies in der Regel leider nicht drauf zu haben.

Fünf Pornos am Tag…

Um zum Thema zurückzukommen. – Da schaut also einer fünf Pornos am Tag und kann dann am Abend bei seiner Freundin nicht mehr punkten. Er wendet sich also an eine Expertin aus der Regenbogenpresse. Er erhält gemeinhin in etwa folgenden Ratschlag: „Du bist wahrscheinlich pornosüchtig. Deshalb bist du auf bestimmte optische Reflexe und auf bestimmte Verhaltensmuster beim Sex konditioniert. Verzichte mal auf die Pornographie, dann wirst du sicher bald wieder ein erfülltes Sexualleben haben. Aber übertreibt es bitt nicht, sonst werdet ihr am Ende noch sexsüchtig.“ Common sense? Nope! Pure Prüderie!

Solche Ratschläge habe ich in den letzten Jahren etwa 1000 Mal irgendwo gelesen, in Wartezimmern und Zügen, in den Ratgeberspalten von Zeitungen und Magazinen. Diesen Medien muss man genau lesen, denn dabei findet man viele Wahrheiten über unsere Zeit, allerdings zumeist nicht jene, welche ihre Macher verbreiten wollen. Seine Häufigkeit macht dieses Beratungskonstrukt aber auch nicht redlicher. Ich würde bei dieser Problemstellung zunächst mal zurückfragen: Sag mal, onanierst Du zu jedem dieser fünf Pornos? Wenn ja, dann wundert es mich nicht, dass da am Abend nicht mehr viel übrig bleibt… Benutz das Zeug doch lieber, um dich damit heiss für deine Lady zu machen. Oder schaut die Filmchen halt gemeinsam an – und lasst euch davon inspirieren.

Was heisst schon optische Reflexe? Was heisst schon Verhaltensmuster beim Sex? Was heisst schon konditioniert? Pornografische Darstellungen gab es schon bei den Höhlenbewohnern, Ladies and Gents, das kommt von Innen, da wird nix von aussen “konditioniert”…

Das sind doch alles moralinsaure Hintertreppen-Ratschläge. Könnte ja auch sein, dass einer nen Porno reinzieht – und dann erst merkt, dass ihm im realen Leben bisher etwas zu seinem Glück gefehlt hat…
Porn could be a teacher…
Who knows…?

Gute Konsumenten

Natürlich leben wir hierzulande in der freiesten und liberalsten nur möglichen Gesellschaftsform – noch… Und das ist auch gut so. Es würde sich sogar lohnen, sie noch freier zu gestalten.

Wegen der schrecklichen Vergewaltigungsgeschichte in Indien, habe ich mir neulich die internationalen Jahresstatistiken in Sachen Sexualverbrechen angeschaut. Eins ist mir dabei sofort aufgefallen: In den Ländern, wo es bezüglich Sexualverbrechen besonders schlimm zugeht, sind zumeist sowohl Pornographie, als auch Homosexualität und Prostitution von Gesetzes wegen verboten, regiert also staatlich verordnete Prüderie. Wen wundert’s…?

Das erinnert mich an die Erfahrung, die ich im Laufe der Jahrzehnte mit vielen Junkies gemacht habe. Sobald es für sie, nach langem bürokratischen Prozedere, eine legale, kostenlose Heroinabgabe gibt, haben die plötzlich eine aufgeräumte Wohnung, eine Arbeit und stehlen keiner Omi mehr die Handtasche. Kein Wunder, denn die meisten Heroinabhängigen sind im Grunde recht konservative Leute. Sie sind ja auch gute Konsumenten – im ursprünglichsten Sinn des Wortes.

Über die Stränge

Um was geht es eigentlich – bei diesem ganzen, ideologisch angetriebenen Gesundheits- und Verbotsfanatismus? Um Selbstbetrug, um eine eigentliche Neidkultur im Zeichen der Doppelmoral – und immer öfter wohl auch um die Konditionierung der Massen auf sinnentleerte, schlecht bezahlte Brotarbeit – ohne wenn und aber. Eine derartige Konditionierung ist in Kombination mit Freiheit, Lust und Frivolität scheinbar nicht so einfach durchzusetzen. Bleiben wir also frivol!

Repressive Ansichten, Ratschläge und Gesetzgebungen zielen scheinbar immer auf Mitte und Mass ab. Aber die Menschen sind von Natur aus nicht massvoll. Die Natur selbst ist es ja auch nicht, ganz im Gegenteil.

Schaut euch mal einen Tornado an: Ist der etwa massvoll?

So müssen auch wir Menschlein manchmal über die Stränge schlagen, um dem Alltag danach wieder gewachsen zu sein. Müssen für Momente tief in jene Möglichkeit einer Ewigkeit der Lust eintreten, welche uns die prosaische Realität am Ende zwar versagen wird, die uns aber dennoch so sehr bereichert, dass wir uns mit dieser Unmöglichkeit abfinden können. Und die Mittel, die wir dazu benötigen, sind höchst individuell.

Vielleicht lebst du länger, wenn du nicht rauchst, immer Diät hältst, nicht säufst und keine Drogen nimmst. Vielleicht macht dich der Gedanke an ein längeres oder gar ewiges Leben glücklich.

Vielleicht kommst du dir innerlich ausgeglichen vor, weil du keine Pornos schaust und keinem Fetischismus oder irgendwelchen sexuellen Spezialitäten huldigst. Und weisst du was? Ich finde das grundsätzlich super!!!

Wenn du jedoch MIR deswegen in diesen Bereichen ebenfalls Restriktionen aufbrummen möchtest, nur so zur Sicherheit, weil was dir gut tut, auch mir gut tun muss, und natürlich zu meinem Besten, dann werde ich dich nicht nur bekämpfen – dann kann ich dir zudem auch nicht mehr glauben, dass du selbst in irgendeiner Weise ausgeglichen sein könntest.

Es ist leider so: Wer mit restriktiven Ideen missioniert und eine Verbotskultur einführen will, möchte den anderen vor allem sein eigenes Elend überstülpen – und verschafft sich damit seine Befriedigung. Das ist wahrlich pervers.

Überall dort, wo eine vernünftelnde oder religiös motivierte Verbotskultur zur gesellschaftlichen Grundhaltung wird – und erst recht, wenn damit die Ächtung so genannter opferloser Vergehen einher geht -, züchten wir die ekligste nur denkbare Doppelmoral heran. Und dies meisten auch noch unter dem Banner der Aufklärung. Igitt! Ich glaube, der beste Ratschlag in dieser Sache kommt immer noch von Frank Zappa (1940 – 1993), selig: „Do what you want/Do what you will/But don’t mess up your neighbor’s thrill.“

Wenn du den anderen stets ins Vergnügen reinpinkeln musst – stimmt garantiert mit dir selber etwas nicht. Es ist schon erschreckend, dass es heute auch bei und wieder so viele Menschen gibt, die Leuten mit einer anderen Weltsicht am liebsten den Schädel einschlagen würden – oder es sogar tun. Auch die Pathologisierung einer jeden Marotte ist wieder strenge auf dem Vormarsch. Ausgerechnet in unseren gemässigten Breitengraden können die engstirnigsten Moralapostel/-Innen heute wieder gut punkten: Sie kommen von links, von rechts – und von religiösen Seite jeglicher Couleur her. Nur aus der Pornobranche kommen sie garantiert nicht.

Totem gegen Todesangst

Zum Schluss noch einige Worte zur – gefilmten – Pornographie an sich. Die meisten dieser Filme sind heutzutage leider nicht mehr besonders inspirierend. Es gab mal, in den Sixties, Seventies, Eighties des vergangenen Jahrhunderts interessante Ansätze, Sexfilme mit Stories zu machen. Etwa von Regisseuren wie Russ Meyer, Jean Rollin, Tinto Brass, Pier Paolo Pasolini, Jess Franco, David F. Friedman, Gerard Damiano, Michael Ninn usw. … Auch auf der japanischen Pinku-Eiga-Szene gab und gibt es einige ganz erfreulich kreative Produkte.

Der heutige Zustand auf dem westlichen Pornosektor sagt eben einiges über unsere Gesellschaft und ihren momentanen Umgang mit der Sexualität aus, die einem veritablen Rückschritt gleichkommt: Filme haben entweder eine saudoofe Story, kaum kreative Elemente und expliziten Sex – oder sie haben eine gute Story, strotzen vor kreativen Einfällen, aber beim Sex geht das Licht aus bzw. die Decke bleibt drüber.

Die einen dürfen öffentlich diskutiert und gezeigt werden, die anderen gehören in die Schattenzone des Schmuddligen. Die wenigen Crossover-Versuche der letzten Jahre waren zumeist in der langweiligsten Studiokinoecke angesiedelte Problemschwarten, als wollten sie sich durch besonders frustrierende Inhalte für die expliziten Sexszenen entschuldigen. Immerhin gibt es noch eine Hand voll guter Pornoregisseure, die aber – wegen Produktionszwängen – in Sachen Originalität meist zurückbuchstabieren müssen. Der Pornoregisseur Chris Kramksy, immerhin ein besonders origineller Vertreter seiner Zunft, hat mal gesagt, dass Pornographie einen Totem gegen Todesangst darstelle.

Das glaube ich übrigens auch. Und ich finde es gut, denn Totems gegen Todesangst sind eine feine Sache.

Gleichzeitig ist das Genre leider total ausgetrocknet, weil es immer noch auf eine schweigende, peinlich berührte Kundschaft baut. Eigentlich Schade, wenn es um eine so zentrale Sache – wie die Darstellung von Sex – geht. Allen, die mir erzählen, dass es keinen Markt für echt knallige Action-Grossproduktionen oder einen schmissige Gefühlsschmachtfetzen gebe, die mit gut gefilmten XXX-pliziten Sexszenen aufwarten, lache ich ins Gesicht.

Schliesslich gibt es in der Literatur und in der so genannten Bildenden Kunst schon lange Werke, die gleichzeitig sexplizit, erfolgreich und gesellschaftlich akzeptiert sind.

Schoggiblowjob

Solange jede zweite Schoggistengel-Werbung – und dies absichtlich! – daherkommt, wie eine besonders klischeehafte Blowjob-Szene, haben wir die Doppelmoral für uns gepachtet und werden wohl keine guten Pornos mehr erhalten. Dabei passen Schokoladeschlecken und Blowjobs eigentlich nicht zwingend zusammen.

Ausser, dass halt in beiden Fällen etwas in den Mund genommen wird…

Wir können uns noch so aufgeklärt geben, liebe Leut’, aber solange wir der Doppelmoral – wieder besseren Wissens – verhaftet bleiben, wird diese Welt ganz sicher kein fröhlicherer Ort. Und mir scheint, dass diese Doppelmoral, spätestens seit überall das Wort von der Krise herumgeistert, wieder Urstände feiern darf.

Prost

Lasst uns also auf die verlogene Bekenntniskultur und das ganze Suchtgeschwätz furzen.

Ein Prosit der Gemütlichkeit!

Und nun erheben wir das Glas gleich noch einmal, auf den Sensemann, der uns alle eines Tages ins Ungewisse davon tragen wird, und darauf, dass uns eigentlich allen klar ist, dass jene, die uns weismachen wollen, sie wüssten, was nach dem Tode geschieht, gequirlte Kacke verzapfen.

Und der dritte Toast soll dem überschäumenden, riskanten, frohen Leben gelten, welches einem elenden langen Leben immer noch vorzuziehen ist.

Und den Rest des Drinks schmeissen wir, mitsamt dem Glas, zum Fenster raus – für die Dämonen unserer Zeit. Auf dass sie uns mit ihrer Angstmacherei in Ruhe lassen sollen! PEACE!!!

Gefällt dir dieser Beitrag?

One Comment

Leave a Reply

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

Facebook Profil

Weltfussballer, ledig, sucht..

die besten 5 am wochenende