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„man muss dem leben ein grosses nein entgegen halten!“

Zunächst haben sie Sex gemacht. Spontan. In der Küche. Alle möglichen Gegenstände und Lebensmittel wurden in das ausgedehnte erotische Spiel einbezogen. Leider war das Essen danach ungeniessbar. Also setzten sie sich einfach nackten Arsches auf die harten, hölzernen Küchenstühle, die noch von seinem Grossvater stammten, der einst aus Novosibirsk in die Schweiz gekommen war, rauchten Blunts und öffneten eine Flasche Glenfarclas 105.

Eine kleine Diskussion flackerte auf…

A: „Man muss dem Leben ein grosses Nein entgegen halten!“

B: „Ganz im Gegenteil! Man muss dem Leben ein ganz grosses Ja entgegen halten!“

A: „Bist Du verrückt geworden? Mit einem Ja hast Du keine Chance. Das Nein grenzt Dich von den anderen Dingen ab. Nur mit einem Nein wirst Du etwas.”

B: „Du willst Dich immer nur abgrenzen. In Wirklichkeit musst Du fliessen, musst Du in einem Flow leben, der Dich durch’s Leben trägt. Das ist nur möglich, wenn Du der Welt ganz grundsätzlich bejahend gegenüberstehst.“

A: „Quatsch. Der Mensch spürt sich doch zum ersten Mal in jenem Moment, in dem er bewusst NEIN sagt. Mit diesem Nein positioniert er sich, rückt er sich auf den Plan der Existenz. Erst mit einem Nein unterscheidest Du Dich von allem anderen da draussen, wirst Du zum Individuum. Wer fliesst, zerfliesst mit seiner Umgebung, löst sich komplett auf, wie Zucker im Kaffee. Wer in einem Flow lebt, hat sich als Mensch nie definiert, nie abgegrenzt. Ein Individuum kann sich nur gegen den Strom definieren. Wer einfach so mitfliesst, lebt eigentlich gar nicht. Er wird einfach weggerissen und am Ende in den Abfluss gespült.“

B: „Ach was! Ein Mensch ist doch nur ein Stäubchen. Wenn die Existenz da draussen das Meer ist, kann ein einzelnes Individuum nicht mehr als ein Wasserfloh sein. Wer sich abgrenzt, verendet in der Ohnmacht, er wird den mächtigen Gezeiten der Realität niemals standhalten können, wird einfach in Stücke zerhackt. Du kannst nur zum Individuum werden, wenn Du Dich mit dem grossen Ganzen in Harmonie bewegst. Wenn Du akzeptierst, dass Du nur ein winzig kleiner Teil einer riesigen Bewegung bist, die Du nie in ihrer gesamten Grösse überblicken wirst. Nur dann wirst Du von der Welle der Existenz getragen. Nur wer diese mächtige Bewegung mit vollzieht, kommt voran. Wer sich mit dem grossen Ganzen in Harmonie bewegen will, kann dies nur auf der Grundlage einer grundsätzlichen Bejahung tun. Nur wer JA sagt, kommt voran. Wer nein sagt, blockiert sich lediglich selbst.

A: „Das sehe ich ganz anders. Jeder Grashalm ist ein Teil der Existenz und biegt sich im Wind – weil er halt nicht anders kann. Deshalb ist er ja auch nur ein Grashalm. – Und kein Mensch! Das Individuum unterscheidet sich genau dadurch vom Grashalm, dass es eben anders kann, dass es nein sagen kann. Die Existenz kannst Du nur in ihrer vollen Grösse erfassen, wenn Du Dich von ihr abgrenzt. Wer sich einfach willenlos mitreissen lässt, wird als Mensch nie wirklich existieren. Der Umstand, dass wir nein sagen können, verpflichtet uns zur Verneinung! Willst Du noch einen Whisky?“

B: „Nein. Willst Du noch eine Runde Sex machen?“

A: „Ja!“

Die nächste Nummer wurde dann im Modelleisebahnkeller geschoben. Alle möglichen Gegenstände wurden in das erotische Spiel einbezogen. Leider konnten die Loks und Wagenzüge der Modelleisenbahn danach nie mehr fahren.

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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