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Plädoyer für mehr Kitsch

Ich bin ganz Schweizerin.

Ich mag es, wenn Menschen zurückhaltend sind, was ihre Erfolge angeht. Ich mag es, wenn sie nicht an die grosse Glocke hängen, was sie schon alles erreicht haben. Und ich freue mich, wenn ich erst im Laufe des Kennenlernens herausfinden kann, wie gut jemand ist, was er/sie kann, wo er/sie schon war, was er/sie erlebt hat.

Ich habe schon einmal darüber geschrieben, dass unsere Amerikanischen Mitmenschen das ja anders handhaben und dass das für uns Schweizer manchmal etwas befremdend ist. So wird einem „drüben“ schon nach einigen Minuten mitgeteilt, wo man zur Schule ging – wenn’s denn nicht schon übergross auf dem Pulli steht -, wo man arbeitet, welche Prominenten man kennt. Und so weiter.

Ich bin da immer etwas hin und her gerissen – einerseits ist es schön, dass Menschen stolz auf das sind, was sie erreicht haben. Andererseits nervt’s manchmal auch einfach gewaltig und vermittelt den Eindruck, dass man sich für wichtiger nimmt als alle andern.

Was die Amerikaner aber auch praktizieren – und hier komme ich zum eigentlichen Thema dieses Textes – ist der „gelebte Kitsch“.

Liebesbotschaften von Amerikanern an Amerikaner triefen nur so von grossen Worten, von tiefen Gefühlen, von rosaroten Wölkchen und menschlichen Herzen auf Silbertabletts.

Schönste aller Schönen. Held meiner finsteren Tage. Liebe meines Lebens.

Und wisst Ihr was? Ich finde das wunderbar.

Es muss meiner Meinung nach nicht in Neonschrift auf die Anzeigetafel einer Baseball-Arena projiziert sein, aber wenn man es fühlt, darf man es sagen, soll man es sagen, genau so, wie man will, auch wenn es trieft vor Kitsch und man sich später vielleicht dafür schämt.

Romantik ist der Ausdruck der Gefühle, die man im Hier und Jetzt für einen anderen Menschen empfindet und jeder von uns sollte einmal das Gefühl vermittelt bekommen, dass ein anderer Mensch eine grosse romantische Tat für uns vollbracht hat, einfach aus Liebe.

Understatement hat in der Liebe nichts zu suchen. Finde ich. Liebe ist gross und sie verdient es, gefeiert zu werden.

Drum: Ein Hoch auf die Liebe. Und wenn ich grad dabei bin: Ein Hoch aufs Leben und ein Hoch auf die Menschen darin!

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Autor: Yonni Meyer

Yonni Meyer (*1982) wuchs dort auf, wo’s mehr Kühe als Menschen gibt. Und das war gut so. Kantonsschule in der Nordschweizer Provinz (Hopp Schafuuse). Studium im Welschland (Sprachen und Psychologie). Umzug an die Zürcher Langstrasse 2011. Seither konstant kulturgeschockt. Ende Juli 2013 Geburt des Facebook-Blogs „Pony M.“
September 2013 Einstieg bei KULT. Ab 2014 Aufbruch in die freelancerische Text-Landschaft der Schweiz. Meyer mag Blues. Meyer mag Kalifornien. Meyer mag Igel. Meyer mag Menschen. Manchmal.

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