Langsam wird es hier dunkel. Und ich weiss nicht, ob ich nun ein Licht anzünden soll. Denn in dieser blauen Abendstimmung kommt die Erinnerung, die mir keine Ruhe lässt. So jung bist Du gegangen. Durch jene Tür, die keine Wiederkehr erlaubt. Du hast Dir einfach das Leben genommen. Bist verschwunden.
Spurlos. Im ersten Schnee.
Unsere Welt, die ist halt hart wie Eisen, kalt wie Eis. Für einen freundlichen, einen denkenden Menschen wird sie gar leicht zum Jammertal.
Ich erinnere mich noch ganz genau, es war an jenem verfluchten Morgen. Im Januar. Mit leiser Stimme berichtete Max von Deinem Tod. Am Abend bin ich dann zusammengebrochen. Habe eine Flasche Whisky runtergespült. Eine massive Dosis Bromazepam geschluckt. Unzählige Joints geraucht. Bin trotzdem wach geblieben. Bis das nächste Morgenrot den Himmel in Flammen aufgehen liess.
Höllenflammen.
Heute ist es manchmal, als hätte ich Dich erst gestern noch getroffen. Auch nach 20 Jahren tut die Wunde noch weh. Doch die Erinnerung macht mir ein bisschen Mut. Weil Du weiterlebst. In meiner Seele. In meinen Träumen und Albträumen.
Bis ich selber gehen, hinter jenem Nebelvorhang verschwinden muss, der auf uns alle wartet.
Im Dunkeln erscheinen die Geister. Und ich weiss nicht, ob auch Dein Geist durch mein Zimmer weht. Das wäre wohl ein bisschen unheimlich. Vor allem jedoch wunderbar. Nun spüre ich, wie im Fieber, Deine Gegenwart, fühle mich plötzlich federleicht und seltsam blutleer im Kopf.
Ich kann es ja so gut verstehen, wenn einer diese Welt verlassen will. All diese Kälte und all dieser Hass, ein Mensch sein zu müssen, ist – weiss der Teufel – kein Zuckerschlecken, kein Sonntagsspaziergang.
Doch ich weiss, dass ich Dich nie vergessen werde. Die grüne Jacke und die Wohnung an der Hammerstrasse. Die Welt, die dreht sich einfach so weiter. Manchmal ist es bitter, ohne Dich durch dieses Leben schreiten zu müssen. Und ich weiss, Du lässt mich ja nie ganz alleine. Ein kleiner Funken von Dir glüht in meinem Herzen.
Eines Tages werden wir vielleicht gemeinsam über jene alte Brücke schreiten, die das Leben verbindet. Mit dem Tod. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Du mich abholen wirst. Wenn ich ankomme.
Ich bin ja mal gespannt, ob wir dann beide Flügel auf dem Rücken tragen dürfen…