Übers Nachtleben zu lästern ist schick geworden. Das gilt nicht nur für nachtruhegestörte Anwohner oder ältere Mitmenschen, die mit den lärmenden Jugendlichen in Trams und Bussen nicht klarkommen, sondern auch für Leute, die gelegentlich (oder gar öfter) selbst ausgehen. Nachtleben und elektronische Musik hätten nichts mit Kultur zu tun, die Clubs seien um Lichtjahre von dem Niveau entfernt, das sie früher hatten, es werde überall dasselbe geboten, das Publikum in den Clubs (zu dem sie nicht selten selbst zählen) habe bezüglich Niveau stark abgenommen, etcetera, etcetera. Dazu würden die hohen Preise kommen die für Getränke und Eintritte gelöhnt werden müssen. Ein Vorwurf der die Tatsache ignoriert, dass das Volk nach immer berühmteren und damit teureren DJs schreit und die Clubs, die sich dem Emporschrauben in dieser Spirale verweigern, stehen der Konkurrenz bald nur noch mit Käpslipistolen gegenüber. Kurzum: Das Nachtleben in seinem Ist-Zustand könne man getrost abschaffen, denn keiner würde es vermissen.
…Deppen….
Aktuell drehen mehr als 600 Nachtcafés am Rad der Zürcher Nächte, ca. dreimal so viele wie in Bern und Basel zusammen. Auch ich frage mich, welches die ca. 400 Lokale mit Nachtbewilligung zum Kuckuck wohl sind, die ich nicht auf dem Schirm habe (wie gross da der Anteil an Rotlichtbeizen wohl ist?). Und klar: Viele dieser Läden „braucht“ es nicht wirklich. Und trotzdem beleben auch sie diese Stadt. Es gab mal eine Zeit, es ist noch gar nicht allzu lange her (Bis Anfang der 90er), da war die Challenge am Samstagmorgen um 3 Uhr einen guten Club mit genügend Betrieb zu entdecken ca. gleich anspruchsvoll, wie heute jene an einem handelsüblichen Sonntagnachmittag um 3 ein akzeptables Speiserestaurant zu finden, das nicht Volkshaus heisst. Heute hat man die Qual der Wahl und nichts anderes ist einer Stadt, die sich selbst Weltstadt schimpft, angemessen. Das Nachtleben in dieser Stadt hat dazu beigetragen, dass die Schweiz im Ausland nicht mehr nur als Nation der Heidis und Geissenpeter oder als komprimierter Sammeltopf für Banker, die steuermüden US-Bürgern helfen ihr sauer verdientes Geld auf exotische Inseln zu transferieren, wahrgenommen wird. Das Nachtleben sorgt dafür, dass es hier nach 11 Uhr nachts nicht aussieht, als ob sprechende Affen im Albiswald unter der Führung von General Caesar gerade die Übernahme des Planeten von der, durch einen Virus stark dezimierten, Menschheit vorbereiten würden.
Wer sich das Nachtleben zum Teufel wünscht, braucht sich bloss mal vorzustellen, wie es hier anmuten würde, wenn es in seiner Gesamtheit tatsächlich zum Teufel gehen würde. Zwingli hätte es wohl gefallen, aber immerhin leben wir nicht 1531 sondern 2014 und die Zeiten, als uns der liebe Gott den Spass verbieten konnte, sind gottseidank (scusi Alter; nichts Persönliches) vorbei.