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Stephan Sulke. Der von Uschi.

Stephan Sulke? Ist das nicht der von „Uschi, mach kein Quatsch“? Ja, das ist er. Aber Stephan Sulke hat mehr zu bieten als den Song über die emanzipierte Uschi, der damals ein Hit und von ihm unzertrennlich wurde. Viel, viel mehr. Den Begriff Liedermacher mag er nicht. Und doch würde diese Funktionsbezeichnung sehr gut passen. Ach was. Ich riskiere es jetzt einfach und wenn er motzt, dann streiten wir uns eben. Skorpione und Steinböcke müssen sich streiten und bekriegen. Das hat die Natur so vorgesehen, damit es keinem von beiden zu wohl wird.

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Von Isabelle Arnau

Stephan Sulke ist also ein Liedermacher. Warum schreibe ich hier überhaupt über ihn. Nun. Ich kenne mich mit Steves gut aus. Alle, die ich kenne, machen coole Jobs. Als gefühlte Witwe von McQueen muss ich nicht mehr dazu sagen. Und Steven Sulke ist mein Lieblingsmusiker. Schon seit damals. Als in meiner Freundesclique alle Help schrien und keine Satisfaction erlangen konnten, war ich mit Aline am Strand, mit Nathalie auf dem Roten Platz und mit Joe auf den Champs Élysées. Und neben Christophe, Bécaud, Aznavour, Delpech, Dassin und Clerc, musste ich irgendwann auch diesen unmöglichen Sulke entdecken. Wann das war, weiss ich nicht mehr. Aber ich kann mich erinnern, dass ich Schulterpolster trug. Also irgendwann im Mittelalter. Es war Schicksal und Autoradio. Denn da lief immer wieder ein Lied von ihm, in dem es um einen Mann aus Russland ging, den er an einer öden Cocktailparty kennenlernte und beim vereinigten lustlosen Schlürfen an Dimple und Vodka herausfand, dass der Russe lachen konnte, fröhlich war, Witze riss, Heimweh hatte und ein Mensch war wie du und ich. Man fragt sich gegenseitig aus zur Lage der Nationen und gewinnt die Erkenntnis, dass in beiden Welten manches schief und krumm läuft. Um sich am Schluss dann etwas melancholisch angehaucht zu fragen, ob denn Freundschaft bloss ein Wort ist. Und das war schon immer eine immens wichtige Frage.

Sulke

Das Lied wurde meine Einstiegsdroge. Und so habe ich mich in eine lebenslange Abhängigkeit begeben und, obwohl es ein beruhigendes Gefühl ist, inzwischen 17 Alben (plus Sicherheitskopien im feuerfesten Safe) von diesem Typen immer in der Nähe zu haben, benötigt man ja auch mal neuen Stoff. Und da macht er es mir und seinen Jüngern etwas schwer. Berner halt. Er lässt sich Zeit und uns im kalten Entzug. Manchmal habe ich den unheimlichen Verdacht, er tut es mit voller Absicht.  Das gleiche Gefühl, wie wenn du mitten auf der Strasse stehst, parkieren willst, Tram hinter dir, und der Globi da ewig braucht, um endlich aus der freiwerdenden Lücke zu fahren. Ihr kennt das. Genau so. Aber nach langen, trostlosen Jahren kommt endlich wieder eine neue Scheibe auf den Markt, die beweisen wird, dass sich das lange Warten auf sie gelohnt hat. Er ist in eine Generation hineingeboren, die gelernt hat, zu ackern. Und die noch zu wenig arrogant war, ihr Handwerk nicht gewissenhaft zu lernen. Das ist wohltuend und macht sich bezahlt. Zuerst hat er Jura studiert, um Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Gut gemacht.

Mit den geordneten Gedanken ist er aber nicht Anwalt geworden, das war ihm dann zu wenig kreativ, zu wenig künstlerisch, zu wenig musikalisch. Er hat ein paar Lieder geschrieben, englische, dann in französischer Sprache, ist als Steff in Frankreich durchgestartet, bis ihm der grosse Maurice Chevalier den ‚Prix du premier disc‘ überreichen musste. Trotzdem fand er, das konnte nicht schon alles sein. Er mutierte zum Toningenieur und kam dann irgendwann auf die Idee, die Jazz Festivals in Montreux aufzunehmen. Also baute er sich ein Tonstudio und einen guten Namen. So marschierten auch Leute wie die Stones, Leonard Cohen, die ganze feine Crème zu ihm nach Biel. Aber Stephan wäre nicht Sulke, wenn er sich nicht irgendwann überlegt hätte, halt mal, warum denn immer Andere singen lassen und aufnehmen. Das konnte er doch auch. Aber das, was er vorhatte, war nicht einfach. Er wollte Liebeslieder schreiben. OK. Aber Liebeslieder in deutscher Sprache. Wie bitte? Die Italiener haben gelacht, die Franzosen mitleidig geschmunzelt. So what. Sulke ist Steinbock mit Aszendent stuure Gring. Er ist zwar in Shanghai geboren, hat schon überall gelebt, aber er denkt in Bärndütsch.

Und bei einer Liebeserklärung auf einmal in eine andere Sprache wechseln zu müssen, fand er doch ziemlich lächerlich. Also blieb es dabei. Deutsch. Basta. Und das war gut so, denn auch die deutschsprachigen Länder verdienen Kultlieferanten. Seither hat er mit seinen Liedern wie ‚Lotte‘, ‚Melancholie‘, ‚Liebe gibt’s im Kino‘, ‚Mensch, so ne Scheisse‘ und vielen mehr bewiesen, dass man sich bei einem guten Song nicht zwischen Text und Musik entscheiden muss. Bei ihm kriegt man beides. Bäng. Ein Liebeslied muss nicht partout aus Herz, Schmerz und Schmalz bestehen. In einem meiner 217 Lieblingssongs singt er: „OK, ich hab‘ sie rumgebogen, bis ich sie in mein Bett hineinbekam. Doch hab‘ ich sie nie angelogen mit Liebe und mit all dem faulen Kram“. Na bitte. Ich war atemlos, nicht nur nachts.

Aber zurück zur Headline. Wer ist Stephan Sulke. Er singt von sich, er sei der Typ von nebenan. Kein besonderer Mann. Einer, der mal nachts nicht schlafen kann. Der jede Menge Fragen hat, weil er weiss, dass er nichts weiss. Kein Genie, kein Beau. Dass er sich auch mal selber ein Bein stellt und jeden Fehler noch einmal macht. Und Bla Bla Bla. Netter Versuch, aber glauben tue ich ihm bestenfalls die Sache mit dem Schlaf. Und auch die nur so halbbatzig.

Nein. Er ist keinesfalls der Typ von nebenan. Mein Nachbar ist ganz anders. Sulke ist ein frecher, talentierter Lausbub, der durch seine Passion zur Musik und zu allem, was er macht, jung geblieben ist. Wenn er sich oft etwas ruppig gibt, schwierig, fast schon leicht arrogant und zickig wie seine eigene Uschi rüberkommt, dann wissen die Götter und seine Gemeinde, dann hat er Showtime. Gar nicht ignorieren. Er will nur schauen, wie man reagiert und lacht sich ins Fäustchen, wenn man ihn falsch einschätzt. Und damit hat er Recht. Schliesslich braucht niemand einen Kleber mit seinen Eigenschaften auf der Stirn wie ein Glas Konfitüre. Es ist doch viel interessanter, alles selbst herauszufinden. Wer also wirklich wissen will, wer dieser saufreche, aber geniale Stephan Sulke ist, der muss ihn live auf einer Bühne erleben. Wenn er sich singt. Mit jedem Lied kommt man dann der Sache etwas näher.

Und zwar schon bald. Nach gefühlten Jahrhunderten endlich wieder in der Schweiz. Bei seinem einmaligen Gastspiel im Bernhard Theater Zürich am 20. Mai. Also. Es wird ein lauer Frühlingsabend mit einzigartigen Liedern, einem gut eingestimmten Flügel und einem Ausnahmekünstler, der längst Kult geworden ist. Er wird den Abend sulken. Aber sowas von. Man wird danach süchtig, aber was soll’s. Ich habe hiermit vor Risiken und Nebenwirkungen gewarnt und bin fein raus. Bin mir aber auch ganz sicher, dass niemand den Einstieg in die Abhängigkeit bedauern wird. Denn der Gegenwert der Droge Sulke, der stimmt. Ich schwöre bei Chanel.

Stephan Sulke im Bernhard Theater Zürich, 20. Mai, 20:00 Uhr.

Details und Tickets: http://www.bernhard-theater.ch/programm/stephan-sulke/

Website: http://www.stephansulke.com

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Autor: Gastautor

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