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Friedliche Koexistenz – Boy, you gotta love your Car-Car-Girl!

Der Verlobungsring liegt auf den cremefarbenen Lederpolstern. Am Lenkrad steckt ein Lebkuchenherz mit Zuckerguss-Ich-liebe-dich. Die Windschutzscheibe, von einem feinen Feuchtigkeitsfilm überzogen, zieren zwei Initialen. Der Kniefall setzt dem Ganzen noch die Krone auf oder den Stern, fünf Ringe, ein Raubtier, einen Engel? Er wird garantiert nicht sagen: „Baby, you can drive my car!“ No, no, no… das käme einem Frauentausch gleich, nicht im üblichen Reality-Hausfrauen-Porn-Sinne (Maria aus Bayern zeigt den Fischköppen, was ´n Essigreiniger ist, während die Assi-Schlampe von der Waterkant bei Alois den Hering vom Boden leckt), nein, er liebt sein Car-Car-Girl, als sei es aus Fleisch und Blut. Jeden Samstag gibt’s ein Vollbad, sonntags dann ein Leckerli vom Karosserieveredler und am Geburtstag ein komplettes Makeover von Car Wash Deluxe. Danny-Boy greift tief in die Tasche, wenn’s um Car-Car-Girl geht, denn er liebt sein Car-Car-Girl! Got it?

Es ist wahr und ich sage nicht, dass es traurig ist, in den USA beichtete jüngst der Sohnemann seinem Vater, dass er sich unsterblich in seinen Wagen verliebt habe und diesen nun auch heiraten möchte. Autoliebe im doppelten Sinne ist gar nicht so selten. Sex mit einem Porsche oder (Geschmäcker sind eben verschieden) einem Ford Taurus zu haben, ist sogar verbreiteter als Ehegelübde gegenüber Macs oder Gummipuppen, was für Frauen freilich selten verständlich ist. Der Ästhetik könnte das Hauptargument geschuldet sein, vielleicht aber auch der Neigung vieler Frauen, Technik einfach nur als Vehikel zum Genuss zu betrachten, während für Männer Vehikel und Genuss fusionieren, koinzidieren, selten jedoch kollidieren.

Enfin, da wäre ja noch Crash, a bigger crash à la Cronenberg. Das Auto ist nicht nur ein Fetisch (um das abgelutschte Wort endlich einmal auszuspucken), nicht nur ein Objekt der Begierde, sondern transzendiert die Begriffe, indem es divinisiert wird. Das Auto ist Gott. Von Jaguars Gnaden (oder however you may call IT), erleben wir eine ekstatische Lust, ein mystisches Überschreiten des Seins, sprengen wir die Dichotomie von Natur und Kunst, Natur und Technik. Der Crash mit dem anderen reduziert sich nicht auf einen Kick, er löst das Unerträgliche des Seins und des Todes zugleich auf: „Und da das Sein uns im Tod zur gleichen Zeit, da es uns geschenkt, auch wieder genommen wird, müssen wir es im Erleben des Todes suchen, in jenen unerträglichen Momenten, in denen wir zu sterben glauben, weil das Sein in uns nur noch Exzess ist, wenn die Fülle des Schreckens und der Freude zusammenfallen.“ (George Bataille). Es ist das alte Motiv des Eros und Thanatos. Stirb den kleinen Tod, Vögelchen, oder friss! In dem Moment, in dem die Wagen kollidieren, fließen Körpersäfte, Blut und Sperma, befruchtet der eine, stirbt der andere. Die Blessuren verwandeln sich in Kriegstrophäen, mutieren zu feurigen Liebesmalen, Stigmen der Fusion, Symbolen der Transzendenz. Klar, dieser Crash gebiert nur Kinder des Schreckens, aber das sind wir doch alle, n’est-ce pas? Zumindest die schrecklichen Kinder der Neuzeit…

Wer jetzt immer noch glaubt, dass ich mich trotz minimalsatirischer Elemente in die Brrr-wie-pervers-allein-der-Gedanke-und-ich-könnt-kotzen-Fraktion einreihen könnte, irrt sich natürlich. Schließlich vertrete ich mit Leib und Seele den Gedanken der Toleranz, wobei ich Toleranz mit friedlicher Koexistenz, nicht Erlaubnis durch eine Mehrheit für eine Minderheit konnotiere (see Rainer Forst, Toleranz im Konflikt). „Live and let die“ lautet meine Devise. Gehen wir einfach davon aus, dass alle gesellschaftlichen Gruppierungen für sich Gleichheit beanspruchen, diese a priori besitzen und deshalb einander in Frieden lassen. Eine Utopie des Wahnsinns? What shalls! Anderen eine Erlaubnis für ihre Lebensweise zu erteilen, liegt mir genauso fern wie einen respektvollen Car-Car-Girl-Day pro Woche einführen zu wollen oder gar das Car-Car-Model als Ausdruck meiner Wertschätzung in Schulbüchern zu propagieren.

Jeder soll nach seiner Façon selig werden, bittschön! Be happy with your Car-Car-Girl! Bis dass der Tod euch scheidet! Roarrr! Wrumm! Crash!

 

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Autor: Theresa S Grunwald

Ekstatische Verzückung, Devotion, deutsche Romantik – Theresa S. Grunwald, das Pseudonym dient als sprachliche Verhüllung, lebt nicht nur in einer pornographischen, von einem leisen Hauch Katholizismus durchwehten Welt. Der Durchbruch ins Animalische gelingt nicht immer, Hölderlins Liebe greift sie manchmal hart am Schopfe. Masken sind aber durchaus ein probates Hilfsmittel, um extreme Widersprüche, Sex und Liebe ist nur einer davon, in Genuss umzuwandeln.

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