Sie hat ihm auf den ersten Blick gefallen. Wie sie da vor dem Hotel zur letzten Laterne stand. Im Limonadenregen. Ihre Augen, ihr Mund, ihre Beine, ihre Klamotten. Sogar ihre Handtasche strahlte eine gewisses diskretes – aber unmissverständliches, für den Sehenden – erotisches Fluidum aus. Am liebsten würde er sie sofort umdrehen. Um ihre Rückseite zu begutachten. Aber Geduld, er wusste, dass so nicht vorgeht, wer Erfolg haben will. Und Erfolg hiess in seinem Fall: Die Dame in ein kleines Zimmerchen abschleppen, alles mit ihr machen, was sie will, und vielleicht noch ein bisschen mehr. Er war stolz auf seine diesbezügliche Überredungskunst, die nur so strotzte von kulturgeschichtlichen, populärwissenschaftlichen und postmodern-spirituellen (von der dunklen Seite) Innuendos. Doch an diesem Tag bedurfte es keiner grossen Überzeugungskraft. Mit einem ausgeklügelten Spruch, er fabrizierte seine Fangphrasen immer gemäss den telepathischen Wellen, die er von den Damen zu empfangen wähnte, sprach er sie an: “Liebegute Frau, wollen sie mit mir eine animalische Hochzeit feiern?» Sie antwortete. Mit einer Stimme, die so fein wie ein Glöckchen klang: „Aber gerne. Am liebsten sofort, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ Er antwortete: „Kein Problem. Ich verfüge über ein kleines Zimmer. Im Hotel, das da hinter ihnen steht. Wir können unverzüglich hineingehen.“ Er hielt die Tür für die Lady auf. Nun sah er ihre Rückseite. Dies bereitete ihm grosse Freude. Denn es handelte sich um einen reizenden Hinterhof. Jene Geschichte mit der Hintertüre, die für ihn so interessant war, bedurfte, so seine Erfahrung, allerdings oft eines besonderen Einsatzes seiner Silberzunge. Er war gespannt darauf, wie es heute wohl sein würde. Sie traten in die Halle. Bruno Senf, der Portier, schaute die beiden missgünstig an. Er dachte: “Jeden Tag schleppt der Herr Bein-Schinken hier neue Weiber an. Dabei ist dieser Sack ja verheiratet. Glücklich, wie man sagt…“ Nicht wenig Eifersucht war in der Missgunst von Senf enthalten. Der Lift, die Türe, der Schlüssel, das Zimmer. “Machst Du das Radio an?“ Fragte die Glöckchenstimme: “Ich möchte mich im Rhythmus der Musik für Dich entkleiden, wenn Du damit einverstanden bist.“ Das gefiel dem Herrn natürlich. Während sie ihre Kleider abstreifte, zu einem schönen langen Lied von Black Sabbath, das gerade auf dem Alternativsender lief, sie tat dies überaus elegant, sie hatte darunter auch exakt die richtigen Textilien an, floss das Blut unseres Herrn Beinschinken genau in die richtige Richtung. Danach fiel sie vor Bein-Schinken auf die Knie, setzte ihre Lippen, ihre Zunge ein. Und schon bot sie ihm ganz unverfroren die Hintertür an. Da war er direkt ein bisschen enttäuscht, dass er seine Überredungskünste heute nicht auspacken durfte. Aber er stieg dennoch dankbar auf das Angebot ein. Danach forderte sie ihn auf, nun noch die gute alte Missionarsvariante durchzuspielen. Der Nachmittag solle doch bitteschön kultiviert und würdig enden. Er war dabei. Was er jedoch nicht wusste: Es gibt Damen, die als Jägerinnen auf die Welt kommen. Ein ganz bestimmter Körperteil ist bei ihnen mit rasiermesserscharfen Zähnen ausgestattet. In besseren Kreisen nennt man dieses Phänomen übrigens Vagina dentata. Er tunkte also sein Bisquit. Und, ratsch, ein schneller, fester Biss entledigte Herrn Bein-Schinken seiner stolzen Mannespracht. So verblutete er. Auf einem viel zu weichen Bett. Im Hotel zur letzten Laterne. Die Dame breitete ihrerseits ihre Schwingen aus. Entflog durchs Fenster. Die Schadenfreude des Portiers, Bruno Senf, würde bald Urstände feiern, so viel war sicher. Und merke: Allzu leicht kann der Jäger zum Jagdwild werden. Zum Glück!