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Die Burka im Kopf.

Jetzt haben die im Tessin abgestimmt über ein Burka-Verbot. Wobei es ein Burka-Verbot gar nicht gibt. Man darf das so nicht formulieren. Drum nimmt man einen kleinen Umweg und nennt es „Verhüllungsverbot“. Gemeint sind damit aber Burkas. Jetzt ist es vielleicht so, dass es einigen auf den Sack geht, wenn sie das Gesicht von jemandem nicht sehen können. Das macht ihnen Angst. Andere wollen nicht, dass der Islam sich hier in unserem „christlichen“ Land etabliert. Weil sie andere Gesetze haben und sich in einer Parallelwelt einrichten könnten. Das macht ihnen grad nochmals Angst. Wieder andere sind gegen Beschneidungen. Aber das ist ein anderes Thema, auch wenn es gerne in diese Diskussion eingebracht wird. Man hat also das Tragen der Burkas verbieten wollen und nennt das politisch korrekt „Verhüllungsverbot“. Und schiesst sich damit grad mal ins Bein. Denn es verbietet grundsätzlich Menschen, in der Öffentlichkeit ihr Gesicht ganz oder teilweise zu verhüllen. Das bezieht sich, wie gesagt, nicht nur auf das Tragen von Burkas oder ähnlichem. Auch sehr grosse Sonnenbrillen, gepaart mit einem tief sitzenden Käppi könnte schon ein Grenzfall darstellen. Pech also für alle Rapper. Kapuze runter, Brille weg und schon sehen sie aus wie frustrierte Teenager. Und Cro darf in der Schweiz keine Konzerte mehr geben. Deadmau5 auch nicht. Streetparade? Abgeblasen. Die wird seit Jahren regelmässig von temporären Gesichtsverhüllern frequentiert, was sie für die zwei Tage zu Kriminellen macht, die man aber der Vielzahl wegen kaum bestrafen kann. Und was nützt ein Gesetz, das man nicht durchzusetzen vermag? Eben. Drum weg mit dem Anlass. Fasnacht auch grad. Nonnen gehen knapp noch durch, allerdings müssen sie im Sommer auf das Tragen von Sonnenbrillen verzichten, sonst ist über die Hälfte des Gesichtes verdeckt und das kostet dann. Bei den Motorradfahrern wird’s dann schon differenzierter. Sie müssen dank Versicherungslobby gesetzlich einen Helm tragen, es darf in Zukunft aber kein Vollvisierhelm mehr sein. Weil Töffs fahren in der Regel im öffentlichen Raum und so ein Helm verhüllt das Gesicht. Tschüss Vollvisier-Helm. Was haben wir noch? Ach so, das war damit alles nicht gemeint? Nur Burkas? Aber so steht das nicht geschrieben im Initiativtext. Und so wird das, wenn überhaupt, auch nicht in der Verfassung stehen. Weil gegen die Religionsfreiheit und gegen das Völkerrecht und gegen eine Menge anderer Sachen auch. Nein, im Initiativtext lesen wir nichts von Burkas, nur “Hinweise, dass das Verhüllen oder Verbergen des Gesichts auf öffentlichen Strassen, Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln untersagt sei”. Pech gehabt.
Jetzt gibt es Leute, die sagen, dass die armen Frauen ja wie in einem Gefängnis leben müssen unter so einem Gesichtsschleier. Und wollen sie jetzt auch noch gesetzlich zuhause festnageln. Dabei merken sie nicht, dass sie selber gefangen sind. Nicht unter einem Schleier, nein, im Kopf drinnen. Gefangen in einer diffusen Angst und einer damit einhergehenden Unfähigkeit, diese Angst so in einem Text zu verfassen, dass sie sich auflösen würde. Tut sie aber nicht. Ängste lassen sich selten gesetzlich vertreiben. Ängste sind auch in dieser Beziehung nichts anderes als eine Bewusstseins-Burka. Eine Burka im Kopf. Wollen wir mal darüber abstimmen, das zu verbieten? Weil, das macht mir fast am meisten Angst.

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Autor: Rainer Kuhn

Rainer Kuhn (*1961) hat das ganze Ding hier gegründet, aufgepäppelt, fünf Mal neu erfunden, vorher Werber, noch vorher Betriebsökonomie studiert, noch vorher Tennislehrer gewesen. Dazwischen immer mal wieder ein Kind gemacht. Wollte eigentlich mal Pferdekutscher im Fex-Tal werden, später dann Pfarrer. Im Herzen ein Landbub, im Kopf dauernd unterwegs. Schreibt drum. Hat ein paar Gitarren und ein paar Amps in der Garage stehen. Macht Musik, wenn er Zeit hat. Hat er aber selten. Blues und Folk wärs. Steht nicht gern früh auf. Füllt trotzdem die Kult-Verteilboxen jeden Monat mehrmals eigenhändig auf. Fährt Harley im Sommer. Leider mit Helm. Mag Mainstream-Medien nicht. Mangels Alternativen halt Pirat geworden. Aber das ist manchmal auch streng.

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