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Ein Mittagessen im Alice Choo mit Oliver Scotoni

Das erste Interview dieses Jahres aus der Reihe „Rockstars des Alltags“ kommt neu aus dem Alice Choo in Zürich. Nicht dass wir uns zu Bass und Beats unterhalten hätten, wir haben zu  Mittag gegessen. Und zwar ziemlich chic. Das Alice Choo ist Mittags und Abends ein Restaurant, bevor es in der Nacht zum Club wird. Wir haben uns das Menue empfehlen lassen. Ich mit Poulet, Oliver mit Fisch. Davor gabs Salat, danach Dessert, ein leckerer Business-Lunch in einer ausserordentlichen Athmosphäre. Genau die Richtige, um mit meinem alten Freund Oliver Scotoni über seine Plattensammlung und dem daraus resultierenden Ganzjahresbetrieb von Rundfunk.fm zu plaudern. Und über ein paar andere Sachen auch noch. 

 

Ok. Standard-Startfrage, hat sich so eingependelt, und bei Dir passts besser als sonstwo: Kannst Du Dich an Deine erste selbergekaufte Platte erinnern?

 

Also woran ich mich erinnern kann, ist an eine Beatles Live-Platte. Und im Innenteil der Hülle war die ganze Beatles-Discographie abgebildet. Dadurch wusste ich genau, was die Beatles bisher alles veröffentlicht hatten. Das war dann so mein Guide, bis ich alle Beatles-Platten hatte. Ich hab dann mit dem Stift eine nach der anderen abgestrichen, nachdem ich sie gekauft hatte.

 

Dann bist Du in der Glaubensfrage “Beatles oder Rolling Stones” also ein Beatles-Bub?

 

Eigentlich war ich ein totaler “The Who”-Fan. Ich hatte so ein Film gesehen eines Live-Auftrittes von The Who, wo sie “Pictures of Lily” gespielt hatten, und “Pictures of Lily” war für mich das Grösste. Damit hats angefangen.

 

Bleiben wir kurz bei den Beatles. Welches war “Dein Beatles-Album”?

 

Ok, für mich ist das weisse Album alles! Das weisse Album ist wahrscheinlich das Beste, was überhaupt je produziert wurde, abgesehen vielleicht von “What’s going on” von Marvin Gaye, aber das weisse Album von den Beatles ist für mich das genialste Werk überhaupt. Es ist in einer musikalischen Vielfalt, die es so nie mehr gegeben hat. Ich mein, da ist eigentlich der Hardrock entstanden, “Why don’t we do it in the road”, das ist so hart, oder auf der anderen Seite sagt man, mit “Number 9” wurde der Rap geboren, ich find das zwar ein bisschen weit hergeholt, aber trotzdem, in seiner musikalischen Vielfalt ist es das Grossartigste überhaupt. Und da ich in dieser Zeit auf die Welt kam, hatte mein Vater das Album natürlich. Damit bin ich wirklich aufgewachsen.

 

Mein Vater war voll auf Bernstein und Karajan und so. Für den waren die Beatles “langhaarige Sauhunde”, “Haschfixer”, solche sachen, und ihre Musik war keine Musik sondern organisierter Lärm. Im Auto ist er uns aber entgegengekommen, inden er eine Kassette hatte, “Die grössten Beatles-Songs von Max Greger”. Mein Beatles-Album war “Let it be” und “Accross the Universe” von Max Greger klang halt nur semi-cool. Aber die Geste war schön. “The Who” gabs nichts von Max Greger.  

 

“The Who” haben mich total reingezogen …

 

“The Who” oder “Roger Daltrey”?

 

Ja, Daltrey, natürlich, ich hatte mir damals sogar eine Dauerwelle machen lassen, das war das einzige Mal in meinem Leben, ich hatte lange Haare und eine Dauerwelle wegen Roger Daltrey, unglaublich, oder? Ich fand auch das Zerstörerische cool, wenn Pete Townsend am Schluss seine Gittare auf Keith Moons Schlagzeug schmetterte, das hat mich damals total fasziniert. Heute muss ich sagen, dass mich das musikalisch nicht mehr wahnsinnig … klar, es hat immer noch ein paar Songs, “Boris the Spyder” zum Beispiel, den finde ich heute noch witzig.

 

Mich haben “The Who” nur am Rande berührt. Da war der Übersong “My Generation” und dann die beiden Filme, bzw. Soundtracks, “Quadrophenia” und “Tommy”. Damit waren “The Who” für mich eigentlich abgehackt. Ich war ja eher auf Johnny Cash und Bob Dylan.

 

Ich hatte da vorallem englische Musik gehört. David Bowie, Iggy Pop, Roy Music und so. Und dann kam diese Synthi-Pop-Phase, die hat mich total reingezogen, so um 198 herum, Heaven17, Simple Minds, Depeche Mode, ABC. Dieses ganze Movement fand ich wahnsinnig spannend, ich liebte den Style, ich hatte mich so gekleidet, das sah so dermassen gestylt aus, ich war noch ziemlich jung, aber weil ich durch die Inspiration des ganzen Synthi-Pop-Movements so extrem gestylt war, kam ich von Anfang an immer ins Roxy rein. Ich hatte noch nichts am Hut mit schwarzer Musik, ich wollte nur Synthis, ja keine Gitarren

 

Da könnten wir unterschiedlicher nicht sein. Mir ging der Plastik-Scheiss so auf den Sack, ich fand, das tönte doof, das sah doof aus, da war nichts, mit dem ich mich hätte identifizieren können. Ich brauchte Gitarren, kam relativ früh zum Blues, hatte ein Alben von Lightnin’ Hopkins, “Lighnin’ Strikes” hiess das, das lief rauf und runter. 

 

Zur schwarzen Musik kam ich erst danach. Das war dann so 84, 85 …

 

Und wie das?

 

Da ich ja grundsätzlich ein Sammler bin, musste ich mich auf etwas konzentrieren.  Ich hatte ja nicht soviel Geld, und in diesem Bereich konnte ich relativ gut komplettieren. Wenn ich dann zu der Zeit bereits in einen anderen musikalischen Bereich gegangen wäre, wäre das gar nicht mehr möglich gewesen.

 

Du hast also aus finanziellen Gründen und weil Du ein Sammler bist, auf eine Musikrichtung konzentriert?

 

Genau. Und dann ging ein Freund von mir in die Staaten, Plattenkaufen, und er kamm mit etwa dreitausend Platten zurück. Der ist durchs ganze Land gereist und hat überall in den Shops die Platten eingekauft und hier verkauft. Von ihm hatte ich Curtis Mayfield, “Back to the World”, Marvin Gaye “What’s going on”, Temptation, und dann fing es an …

 

Aber wieso der Wechsel? ich mein, dieses Synthi-Pop-Zeugs ist ja eine total andere Geschichte.

 

Ja gut, das Synthi-Pop-Mvement hat mich halt fasziniert, nur schon rein visuell, das war etwas komplett Neues, das hat so anders geklungen als alles, was Du jemals  gehört hattest. Aber ich muss sagen, als ich mir die ersten schwarzen Platten gekauft hatte, wars gelaufe, danach hörte ich nie mehr Synthi-Pop. Ich kannte ja schon ein paar Sachen, es ist ja nicht so, dass ich nie was davon gehört hätte, aber wie gesagt, es lag halt irgendwie nicht in meinem Budget. Und als ich dann die Möglichkeit hatte, bei diesem Freund ein paar Platten aufs Mal zu kaufen, hatte ich bereits eine kleine Sammlung, worauf ich mich einlassen konnte. Da hat dann wirklich das angefangen, was heute zum Beispiel auch Rundfunk ausmacht. Damals war ich etwa 17, 18 Jahre alt, und später reiste ich um die halbe Welt, nur um z.B. in New York eine Originalpressung zu kaufen, das war richtig mein Ding. Wenn ich heute manchmal höre, was für Preise diese Platten auf dem Markt erzielen, und ich habe eine davon …

 

… dann ist das, als hättest Du einen Weinkeller …

 

… in etwa, ja. das Spezielle war ja, dass Du die Platten nicht einfach so gefunden hast. Es gab kein Internet, wo Du mal kurz googeln und dann bestellen kannst, Du musstest nach Paris reisen und Du wusstest dabei nicht, was dieser spezielle Laden an der Ecke jetzt für ein Angebot hat …

 

… auf die Gefahr hin, dass das jetzt wieder so nach Altherrensentimentalität tönt, aber ich vermisse das ein bisschen. Ich komme so langsam in eine Phase, wo ich das schade finde, klar, es ist schon auch inspirierend, Spotify, fast die unlimitierte Verfügbarkeit von jeder Musik, aber die Sorgfalt, mit der man heute mit Musik umgeht ist schon nicht mehr so gross. Man kaufte kein Album mehr. Man kauft Tracks. und die kannst Du nicht mal mehr anfassen. Du brauchst auf keinen Mitwochnachmitag mehr, um in die Stadt zu fahren und eine Platte zu kaufen, Du brauchst einen Computer, eine Kreditkarte und eine Minute.

 

Wir hatten diese Situation, am Mittwoch jeweils, im Plattenladen, weil am Dienstag ging der Inhaber immer nach London und hat die neusten Platten eingekauft und dann eben am Mittwoch dann verkauft. Das war ein ganz kleiner Laden, wir haben uns alle dort kennengelernt, Robi Insigna, Alex Dallas, Gallo, alle kamen am Mittwoch in diesen Plattenladen, und dann wars meistens so, dass er von einer Platte vielleicht fünf Exemplare hatte und dann ging der fight los, wer jetzt einer dieser fünf sein wird, die diese Platte kaufen konnten.

 

Und wie habt ihr Euch dann geeinigt?

 

Ich habe dann einfach geschaut, dass ich mit der Verkäuferin eine gute Beziehung hatte, die legte dann vorab eine auf die Seite und so wusste gar niemand, dass ich eine hatte. In solchen Situationen lief ich dann schon ein bisschen diskreter aus dem Plattenladen. Und heute? Früher hatte ich immer davon geträumt, das ganze Universum von Musik besitzen zu können, und heute, dadurch dass es  ein Teil meines Berufes geworden ist, habe ich das wirklich. Ich habe die unglaublichste Sammlung, die Du Dir berhaupt vorstellen kannst. Aber sie ist so gross geworden, dass ich total die Kontrolle verloren habe. Ich habe in all der Zeit rund 800 Sets gemacht, das sind etwa 1000 Stunden vorgemixte Shows, und wenn ich mir die heute anhöre, dann höre ich einen Song in meinem eigenen Set und find den der Hammer und ich weiss nicht wer es ist, dann geh ich auf Shazam, Shazam findets auch nicht, und dann find ich den Song nicht mehr, und manchmal muss ich, wenn ich diesen Song ein einem anderen Set wieder verwenden will, ihn aus dem alten Set rausrippen, und zum Teil sind die ja gemixt, was das ganze auch nicht einfacher macht, aber es geht dann halt nicht anders, ich habe so ein gigantischen Archiv, da habe ich keine Chance … Aber dadurch, dass Rundfunk jetzt 365 Tage lang stattfindet, entdecke ich meine eigene Sammlung wieder neu. Und dann findest Du Sachen, die Du früher vielleicht nicht so spannend gefunden hast, im heutigen Kontext plötzlich spannend, Musik findet ja immer auch in einem zeitlichen und räumlichen Kontext statt. Aber jetzt fängst Du mal an und der Buchstabe A hat alleine schon 10’000 Songs. Und es kommen noch 25 Buchstaben. Das geht so lang, Musik sichten, auch wenn ich mittlerweile schon eine Erfahrung habe, durch die ich relativ schnell Qualität erkenne, aber ich muss mich mit einem Song doch mindestens dreissig Sekunden auseinandersetzen, jetzt kannst Du das mal hochrechnen.

 

Rundfunk ist also eigentlich nichts anderes, als dass Du Deine Sammlung öffentlich zugänglich machst.

 

Das ist einerseits natürlich so. Den ersten Monat gestalte ich ja alleine, das sind bestimmt 10’000 Songs, kuratiert auf den Tagesablauf, ich habe mir einfach gesagt, wenn ich jetzt ein 365-Tage Radio mache, dann will ich inhaltlich unabhängig sein. Was bedeutet, dass auch in den Phasen, wo wir keine Festivals machen, die Qualität auf höchstem Niveau sein muss. An den Festivals haben wir eine gastronomische Situation, die es mir erlaubt, Löhne zu bezahlen. Wenn ich das nicht habe, bin ich auf Fronarbeit angewiesen. Und ich finde Fronarbeit problematisch, klar ist es lässig, wenn einer Freude an der Sache hat, aber ich will ihm immer auch etwas zurückgeben können. Mit meiner Sammlung habe ich die Unabhängigkeit Rundfunk zu senden und mit der Gastronomie an den Festivals die Möglichkeit, die Leute, die an den Festivals mitmachen, auch bezahlen zu können. So ist Rundfunk auch eine Plattform.

 

Einfach nicht auf UKW, oder?

 

Während den Festivals habe ich jeweils eine UKW-Frequenz. Aber die Basis von Rundfunk ist das Internet und DAB. Wenn Du Radio über das Internet verbreitest, dann musst Du Dich mit den Besten der Welt messen, nicht bloss mit den drei, vier Stationen im Sendegebiet. Was für mich ganz klar ist: Das Mobile ist das neue Radio-Empfangsgerät. Rundfunk.fm übers mobile klingt der Hammer. DAB sehe ich ähnlich wie die Mini-Discs damals, als so eine Art Zwischentechnologie, die Richtung ist aber klar das Internet. Und dann werden wir sehen, wie gewissen Stationen Ihre Hörer abholen, wenn der Markt ganz offen ist und Du aus dem ganzen Universum auswählen kannst.

 

Aber auch hier: Als durchschnittlicher Konsument ist man da auch schnell einmal überfordert. Aber ja, ich sehe das auch so: Das Handy ist der neue Walkman.

 

Das Internet wird als Kommunikationskanal noch viel wichtiger werden als es jetzt schon ist. Und dann ist es ja auch klar, dass Du alles in einem Device konzentrierst, also auch das Radio.

 

Wieso denkt man dann immer, dass wenn man Radio macht, man eine UKW-Frequenz braucht? Imagegründe?

 

Ich hab ja aufgehört, bei der Radiokontrol die Zahlen anzufordern …

… bekommst ja auch keine, bei dem Puff, das die haben …

 

… UKW ist im Moment schon noch interessant für uns. UKW beschert uns eine Menge zusätzlicher Hörer. Das Auto ist halt immer noch sehr zentral, bzw. die Beschallung im Auto, und da läuft Radio zum grössten Teil noch über UKW.  Aber das ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Autohersteller auch hier anpassen.

 

Da ist es schon einfacher, eine Zeitung zu machen. Um eine Zeitung zu machen brauchts am Ende des Tages immer Papier und eine Maschine, die das Zeugs auf das Papier druckt. Radio ist da viel abhängiger von der aktuellen Technik. 

 

Ich habe einen sensationellen Techniker, mit ihm arbeite ich seit 15 Jahren zusammen. Er hat mir alles so organisiert, dass ich von überall auf der Welt zugriff habe auf das Radioprogramm. Ich könnte jetzt z.B. von Thailand jeden Sunset eine Session machen und in die Schweiz übertragen. Oder ich könnte Giles Peterson einen Adapter nach London schicken und dann könnte er einen Tag lang unser Radio bespielen.

 

 

Giles Peterson war ja immer so eine Art Vorbild, oder?

 

Giles war natürlich unser Gott, ja. Gerade so Anfangs Neunziger …

 

Und Jahre später legt ihr zusammen auf. Noch ein lustiges Gefühl, nicht? Oder wie war das so für Dich?

 

Ich fand das natürlich lässig. Das beste aber war jeweils, dass ich bei ihm Sachen gehört habe, die ich sonstwo noch nie gehört hatte, und wenn ich mit ihm aufgelegt hatte, konnte ich bei jedem Song, der mir gefiel hingehen und fragen, wer das sei, und er hat mir die Platte grad geschenkt, er hatte  immer zwei, drei Exemplare der guten Platten dabei, vor allem die Pre-Releases, und jedesmal, wenn ich mit ihm aufgelegt hatte, ging ich danach mit einer kleinen Plattensammlung nach Hause. Er stand ja für die Radio-Kultur und damit für die Kultur des Teilens. Er hat mich extrem inspiriert.

 

Wolltest Du das immer schon machen? Musik sammeln und Radio machen? Oder was wolltest Du werden, als Du so 15 Jahre alt warst? Hast Du eine Lehre gemacht?

 

Ja, klar, aber mich interessierte damals eigentlich nichts, ich wollte nur in den Clubs abhängen, ich habe in einer langweiligen Firma das KV gemacht, das hat mich am wenigstens gestört. Ich hatte genug Intelligenz, um das mit relativ wenig Aufwand zu schaffen und hatte so genug Spielraum, mich dem Nachtleben hinzugeben. Danach machte ich das SAWI und fand, Werbung ist nicht mein Ding. Obwohl ich wusste, dass das eine perfekte Schulung war, denn das, was ich über Werbung gelernt habe, konnte ich später in allen Bereichen verwenden. Mein Vater war ja so ein Super-Kreativer, was für mich hiess, ich konnte nicht auch in diesen Bereich gehen, der war quasi besetzt, ich musste was eigenes finden. Ich wurde dann Kunsthändler.

 

Ja gut, da hattest Du halt einfach Pech, der Sohn eines der besten Kreativen des Landes zu sein…

 

… ich war immer “der kleine Scotoni”, der Sohn, das gab mir keine eigene Identity. Drum war der Kunsthandel spannend für mich, die Gallerielandschaft war ein offenes Feld. Ich lernte jemanden kennen, der hatte Geld und der fand mich wegen meinem Style interessant und er sagte “Komm, lass uns doch eine Gallerie aufmachen”. Nur um zu zeigen, wie ich damals so unterwegs war: Ich wollte etwas machen, was anders ist und vor allem etwas, was “Kunst” als solches zelebriert. Wir haben dann zehn Tonnen weisser Kieselstein, Marmor-Kieselstein, gekauft und auf dem Boden der Gallerie ausgeschüttet. Der Kiesel war so ganz leuchtend weiss und es sah aus wie eine Mondlandschaft und strahlte und die Bilder bekamen so einen ganz besonderen Auftritt. Was wir aber nicht bedacht haben, waren die hohen Absätze der weiblichen Besucher und vor allem die Staubentwicklung. Ich verbrachte den ganzen Tag nur noch damit, die Bilder abzuwedeln. Das Konzept war richtig gut, es hat wahnsinnig spannend ausgesehen, aber es war nicht so kompatibel mit unserer Käuferschaft, eigentlich war es so mit ziemlich gar nichts kompatibel. Wir nannten das ganze ja auch “Art Center Zürich” … ich mein, wie arrogant ist das denn? Ich war ja gerade erst etwa zwanzig … aber dadurch bekam ich einen Job in einer renommierter Galerie.

 

Ist ja nicht wirklich was anderes, als was Du heute machst, oder? Geht um Sammeln, ums Kuratieren, vom Wesen her irgendwie dasselbe.

 

Kunsthandel ist viel weniger kreativ. Wir hatten damals die klassischen Modernen, Miro, Dali, Picasso, das waren unserer Hauptkünstler. Das war eher wie Wertpapierhandel, wir verkauften nach “Value”. Das war dann schlussendlich auch der Grund, wieso ich wieder aufgehört hatte damit. Ich wollte nicht einfach den Geschmack reicher Leute verwalten. Was ich heute mache, entspricht meiner Auffassung von Kreativität viel eher. Auf der Basis  musikalischer Streams Erlebniswelten aufbauen und diese zu multiplizieren. Radio berücksichtigt ja nur gerade ein Sinn …

… was heisst “nur ein Sinn”? …

 

… nur Audio …

 

… bin ich nicht einverstanden. Musik ist eine Art Speichermedium. Zum Beispiel verbindest Du mit einem Song Orte, Situationen, Gerüche, mehr als mit irgendetwas anderem. Du kannst einen Song hören und Du erinnerst Dich plötzlich an Sachen, die Du eigentlich vergessen hast …

 

… das meine ich ja genau so. Es kommt Dir zwar übers Ohr rein, ein Kanal, aber es öffnet Welten in Dir. Als ich Rundfunk aufbaute war das ein neuer Stil, das Projekt an sich, aber auch der Sound und die Welt, die wir damit gebaut haben. Das Landesmuseum mit dem Dance-Palais, diese Märchenwelt … ich habe mit Rundfunk eine Vision, ich will das beste Internetradio der Welt machen, wo die besten Leute stattfinden. Nur schon in Zürich haben wir extrem viele Leute, die in meiner Art Radio funktionieren, Alex Dallas, Lexx, Gallo, die alten Hasen eben … oder Dust Surfers, Wempe, alles sensationelle Leute, die die Radio-Kultur beherrschen. ich finde Zürich der Hammer. Interessant bei uns ist ja, dass alle grossen Metropolen haben ihren eigenen Sound, den sie zelebrieren, London hat klar seinen Sound, Paris auch, Berlin. Zürich hingegen hat keinen eigenen Sound, wir nehmen das beste von überall, das ist unsere eigentliche Stärke, uns ist es egal, ob es aus Berlin oder London kommt, unsere Qualität liegt in der Kultur der Vielfalt. Rundfunk hat mittlerweile über fünfzig Leute im Umfeld, die das perfekt interpretieren können. Es gibt Star-DJ’s, die ihre Tournee so planen, das sie einen Abstecher zum Rundfunk machen können, und wenn sie hier waren und aufgelegt haben, wollen sie nicht mal eine Gage. Sie spüren die Leidenschaft, die dahinter steckt. Und hier sind wir wieder am Anfang unseres Gespräches. Bei der Liebe zu den Platten. Wir werden mit Rundfunk z.B. “Record-Store-Sessions” machen, das heisst, wir gehen eine Woche lang zu ZeroZero, der hat ein wunderschönes Angebot, und dann machen die DJ’s und Sammler ihr Programm aus den dort verfügbaren Platten. Back to the Roots. Wir zelebrieren die Liebe zur Musik. Darum geht es.

 

 

Links:

www.rundfunk.fm

www.alice-choo.ch

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Autor: Rainer Kuhn

Rainer Kuhn (*1961) hat das ganze Ding hier gegründet, aufgepäppelt, fünf Mal neu erfunden, vorher Werber, noch vorher Betriebsökonomie studiert, noch vorher Tennislehrer gewesen. Dazwischen immer mal wieder ein Kind gemacht. Wollte eigentlich mal Pferdekutscher im Fex-Tal werden, später dann Pfarrer. Im Herzen ein Landbub, im Kopf dauernd unterwegs. Schreibt drum. Hat ein paar Gitarren und ein paar Amps in der Garage stehen. Macht Musik, wenn er Zeit hat. Hat er aber selten. Blues und Folk wärs. Steht nicht gern früh auf. Füllt trotzdem die Kult-Verteilboxen jeden Monat mehrmals eigenhändig auf. Fährt Harley im Sommer. Leider mit Helm. Mag Mainstream-Medien nicht. Mangels Alternativen halt Pirat geworden. Aber das ist manchmal auch streng.

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