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Land des Fressens, der Hoffnungslosigkeit und der Gewalt

“Plenty of room at the Hotel California
Any time of year (Any time of year)
You can find it here”

Bei Ankunft fühlst du dich irgendwie müde und kaputt und beim Verlassen des Flughafens steigt dir dieser beissende Chlorgeruch in die Nase. Chlor, vermischt mit anderem, Dreck oder Benzin vielleicht. Die Buschauffeurin, eine ältere dunkelhäutige Dame, hilft dir dein schweres Gepäck in ihrem klapprigen Untersatz zu verstauen. Der Bus fährt los und du kapierst zum ersten Mal, du befindest dich nach Jahren wieder auf den Strassen der Stadt der Engel. Durchschnaufen und realisieren. Auf der anderen Seite der Welt. In etwa. 10’000 Kilometer von zu Hause entfernt.

Dein praktisch neuer Mietwagen jagt über die Freeways und springt im rhythmisch wie ein motorisierter Hase über die Bodenplatten. Auf den Fahrspuren und am Strassenrand liegen kaputte Reifen. Diese scheinen jedoch eher ein kleines Problem darzustellen, denn nur mit Mühe gelingt es dir dich an den Fahrstil dieses Landes anzupassen. Offensiv, beinahe Feindselig, jagen die anderen Wagen neben dir her, kämpfen mit dir um jeden freien Meter.

Dein Puls beruhigt sich langsam wieder. Die Backen aufblasen, durchschnaufen, runterfahren. Du beziehst dein temporäres neues Heim. Das Hotel wirkte auf den Bildern im Internet irgendwie geiler. Einchecken, Zimmer aufsuchen, kurz chillen und zurück auf die Strasse. Dem Stress ausweichen und ab in einen Vorort. Ein gutes Restaurant aufsuchen, gemütlich mit der Freundin essen gehen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Jedenfalls hier, in Los Angeles, der Stadt der Hektik. Die Lokale überbewertet. Fast Food Buden überall. Selbst der angepriesene Italiener im Vorort ist nur ein billiger Thekenfrassladen. Amerika, Land des Fressens.

Wir sehen die Angelenos. Arbeiter, die sich wohl gewöhnt sind, jeden Tag stundenlang im Auto zu sitzen. Menschen, die noch immer ihre Träume verfolgen, egal wie hoffnungslos die Lage doch scheint. Oder haben die meisten etwa doch innerlich bereits aufgegeben und sich ihrem Schicksal gefügt? Ist der American Dream tot und wird nur künstlich von den Medien aufrechterhalten? Amerika, Land ohne Traum?

Obdachlose überall. Fast egal wo du bist, sie scheinen an jeder Ecke zu lauern. Du würdest gerne helfen, einen Dollar hier, eine Flasche Wasser da. Du traust dich nicht. Zu crazy wirkt das Szenario auf dich. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – zumindest für die, die genügend Schotter gebunkert haben. Amerika, Land der Hoffnungslosigkeit.

Mord im TV, Gewalt überall. „Soll der Selbstmörder doch springen“, scheinen die geschätzt dreissig Fotografen zu skandieren, in der Hoffnung das perfekte Bild oder die perfekte Aufnahme eines an einer Brücke herumhangelnden lebensmüden Spinners zu machen, vielleicht noch während er auf dem Boden aufprallt. Amerika, Land der Gewalt.

Und doch würden wir wieder zurückgehen in das Land des Amerikaners, das Land der Konsumsucht. Jederzeit. Für eine kurze Weile. Um doch immer wieder zu schätzen was wir in unserer kleinen und verschlafenen Heimat doch alles haben. Denn eigentlich wollen wir hier gar nicht weg.

 

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Autor: Dominik Hug

Mitdreissiger. Basler. Auch im Erfolg stets unzufriedener FCB-Fan. Filmkritiker. Leidenschaftlicher Blogger. Strassensportler. Apple User. Hat eine Schwäche für gute Düfte. Liest eBooks. Hört gerne Rockmusik. Fährt einen Kleinstwagen. Geht gerne im Ausland shoppen. Herzkalifornier. Hund vor Katze. Hat immer eine Sonnebrille dabei. Gelegentlicher XBox-Zocker. Hat 2016 überlebt.

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