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So mittel-geil: Aphrodisische Qualitäten

Endlich das ersehnte Paar-Wochenende. Dirty Weekend im Luxus-Hotel. Mit dem noch berühmteren Restaurant, geadelt mit allen massgebenden Kochlöffeln, Kronen, Sternen. Mit Blick auf die Altstadt, auf das berühmte Obeson-Denkmal, den Fluss, den See, das Meer. Wenige Zimmer nur, wenige Tische. Weltberühmt. Und doch familiär. Hochgelobt. Und doch intim. Dies liegt an den Besitzern: Zibas und Annalore d’Estevoyez. Sie zaubert in der Küche. Er ist ein Service-Genie. Schon der Welcome Drink war köstlich. Das Zimmer auf dem höchsten Stand der Innenarchitektur-Kunst, gleichzeitig sogar gemütlich und irgendwie sexy. Der Service aufmerksam und unaufdringlich. Und dann erst das Menu Surprise, der Steinbutt, das Angus Beef, die Crème Topinambur, die Frühlingsspargeln aus Nordkorea, die Lämmergeiereier-Blinis, die Robbenembryo-Remoulade, das Quitten-Gelée-Dessert aus dem Einmachglas, mit Schokoladenguss aus dem berühmten Haus der Madame Juliette. Und erst die Weine. Unser Paar hat es endlos genossen. Der Sex danach dauerte Stunden, war phantastisch, als hätten die Kochkünste von Annalore aphrodisische Qualitäten. Und das heitere Treiben sah, zwischen all den Stilmöbeln, auch noch besonders gut aus. Ein Traumaufenthalt. Einige Wochen später dann jene Meldung in der Sonntags-Zeitung, Morgenlektüre unseres glücklichen Liebespaars, am reichhaltig gedeckten Frühstückstisch: „Weltberühmte Gastronomen verhaftet“. Offenbar hatten Zibas und Annalore d’Estevoyez jahrelang alle ihre körperlichen Ausscheidungen gesammelt: Urin, Kot, Menstruationsblut, Sperma, Eichelkäse, Nasenschleim usw., diese gewogen, akribisch in eine Excel-Liste eingetragen, in Glasphiolen abgefüllt – und jeder einzelnen Speise beigefügt, die sie ihren Gästen auftischten. Bon Appétit!

 

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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