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Irgendeine wahre Geschichte aus dem Irgendwo – Teil 3

Als wir um fünf Uhr Morgens in die eisige Januarnacht treten ist Ivo, der Chef der Türsteher, noch voller Adrenalin von der Schlägerei. „Weisst du, manchmal frage ich mich schon, wieso ich die Scheisse hier mitmache. Wieso ich mein Medizin Studium vor den letzten Prüfungen geschmissen habe. Dann aber kriege ich meinen Lohn ende Monats und bin zufrieden. Hier bist du halt nichts, wenn du keine Risiken eingehst. Der 29-jährige war einer der besten Maturanden im Land, engagiert und erfolgreich im Kampfsport, ein guter Student mit winzigem Stipendium. Er lebte in einer Garage, bezahlte 50 Euro Miete dafür, dass ihm jedes Mal beim Duschen die Elektrizität einen Schlag versetzte, wenn er den Hahn berührte. Ein kleines Zimmer, 11 Quadratmeter, mini-Küche inklusive. Im August fror man im modrigen Keller, zog die Jacke an, nur um sich draussen wieder aller Kleiderschichten zu entledigen. Als Arzt hätte Ivo wahrscheinlich für immer so gelebt, hätte er doch maximal 350 Euro im Monat verdient. Während seiner Nebenjobs als Türsteher geriet er an Leute, die besser lebten. Ehemalige Gastarbeiter, Kriminelle, Geldeintreiber. Anfänglich sollte er sie nur beschützen, konnte sich aber vor dem schlechten Gewissen nicht retten. Kam er doch aus einer Familie, die ihn gelehrt hatte Rechtes zu tun. Sollte er nun auf der anderen Seite des Gesetzes stehen? Die Jobs finanzierten sein Studium. Andere Studenten seines Jahrgangs wurden von Drogenkartellen rekrutiert, um im Ausland ein paar Monate für ein paar Tausend  Münzen Drogengeschäfte zu tätigen. Dabei lebten sie von Monat zu Monat in anderen Familien, um nicht gefasst zu werden. Manche telefonieren mit ihren zehn Handys nur herum, andere tätigen hie und da Kurierdienste. Man habe ihn auch schon gefragt. Ins Gefängnis gehen, wolle er aber wirklich nicht.  Irgendwann bot man ihm an Türsteher eines bekannten Stripclubs zu werden. 800 Euro Monatslohn.

Nicht schlecht, denke ich. Für leichte Mädchen und Musik. Für einen Monat funkelnder Nächte voller dunkler Gestalten, dunkler Gedanken, die hie und da durch Waffen Erlösung finden.

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Autor: Jelena Keller

Jelena ist von Beruf Journalistin und Sprachlehrerin, Schweizerin serbischer Abstammung. Sie mag lange Texte und langes Grübeln. Sie hat sich daran gewöhnt zu viel zu denken und zu wenig zu schlafen. Wenn sie gar kein Auge zumachen konnte sieht sie die Welt nüchtern und in einem Grauton. Wenn sie ausgeschlafen hat, wandert sie mit ihrem Hund auf grüne Berge, durch bunte Blumenwiesen und rosa Weizenfelder. Schreibt auch mal Gedichte und Kurzgeschichten, reist am liebsten um die Welt und probiert Neues aus. Sie meint tatsächlich, dass sich alle Probleme lösen liessen, wenn man sich nur ab und zu in die Lage des Gegenübers versetzen könnte. Walk in my shoes und so. Trotzdem versteht sie manche Menschen nicht. Die, die sich vor dem Leben und dem Tod fürchten und andere verurteilen. Aber von den meisten anderen denkt sie, sie seien alle Freunde, die sie bloss noch nicht kennengelernt hat.

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