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Die Russenmafia in der Binz?

Als ich am Wochenende um die Ecke in den Denner latschte, fiel mir genau gegenüber der billigsten (na ja, das ist ja relativ) Tankstelle von Zürich eine nagelneu glänzende, fette, schwarze Limousine auf. So eine, die gerne mit laufendem Motor vor den Luxushotels oder den Konsumtempeln von Züri stehen, daran angelehnt ein gelangweilter Chauffeur, der auf den Wichtigtuer im Hotel oder auf die Shopping-Trulla warten muss. Ich hätte dann oft gerne an den Wagen gegingt, denn nichts regt mich mehr auf als die herumstehenden Autos, die mit laufenden Motoren das bizli, reine Luft verstinken, das wir noch übrig haben.

Item, ich dachte, aso das ist ja komisch, an der fetten, schwarzen Limousine steht kein Chauffeur angelehnt, ich guckte ins Fenster rein, aso nei, das sitzt gar keiner drin im Lederinterieur. Was läuft denn da, ausser dem Motor? Vielleicht ist der oder die FahrerIn kurz ausgestiegen und war zu faul, den Motor abzustellen? Ochse oder Kuh, je nachdem. Ich ging erst mal weiter, musste noch schnell posten, es dauerte dann aber doch länger, und als ich zurück kam, stand das vor sich hinstinkende Auto noch genauso da. Niemand dran, niemand drin. Ich dachte nach. Sollte ich es einfach übersehen, so wie die vielen, anderen Leute, die so taten, wie wenn ein Stinkstandvehikel nichts Seltsames wäre? Mir kam es jedoch vor, wie eins jener Piratenschiffe, die einstmals unbemannt durch die See segelten, weil die Besatzung mausetot war.

Vielleicht war mann ja kurz in eine Binzer Zupfstube gegangen, dann mitten im Akt tot zusammengebrochen? Vielleicht lag eine Leiche im Kofferraum oder eine Bombe unter der Motorhaube? Die würde irgendwann explodieren, die Tankstelle mitentzünden, es käme zu einer gewaltigen Katastrophe, und all die Hipstereltern, die ungerührt ihre Goofen an dem vor sich hin brummenden Limousine vorbeiwägelten wären hinweggeblasen. Also, wenn das niemand verhindern will, dann muss ich das eben tun. Ich eilte heim, das Handy hatte ich vergessen. Das vergesse ich sowieso oft, weil sowieso niemand anruft. Ich auch nicht weiss, wen ich anrufen könnte. Ausser den Notruf 117, was ich dann dihei tat. Mit dem Festnetz, das ich oh Wunder noch habe. Ich dachte, das wirkt seriöser.

Abnehmen tat eine erfrischend gemütliche Polizeikraft, die versprach, einen Wagen vorbeizuschicken. Ich gab die Nummer an, damit man das schon mal checken könnte. Der Wagen kam dann wirklich, ich ging, logo gucken. Jetzt muss einmal gesagt sein, dass die Züri-Polizei überaus attraktives Personal hat. Jedenfalls wenn es aufgeboten wird, eine sehr teure Limousine zu überprüfen. Polizist 1 öffnete die Türe, die war nämlich unverschlossen und drückte auf einen Knopf, das Auto stellte ab. Dann wurde auführlich telefoniert. Auf den Vorschlag, doch mal im Kofferraum nach einer Leiche zu suchen, wurde nicht eingegangen. Das fand ich schade. Dann wurde mir erklärt, dass der Wagenbesitzer um die Ecke wohne, was ich nicht glaubte, denn da sind bloss hässliche Bürohäuser. Aber ich konnte nicht länger herumstehen, so wie eine Hausfrau, die nichts zu tun hat. Was ja auch stimmt.

Zuhause klingelte dann nach einer Stunde das Telefon. Man wolle mir Feedback geben. Also das Auto gehöre einem älteren Herrn, der es von seinem Sohn ausgeliehen habe. Leider hätte er nicht so richtig gecheckt, wie das Mobil zu bedienen sei. Und drum hätte er den Motor-Knopf nicht ausgeknipst. Und alles offengelassen, man hätte auch noch Geld gefunden, es ihm überbracht. Und ihn ein bisschen ermahnt. Und er sei soo froh gewesen, als sie Polizei vorbei kam. Ah so, ich würde eher sagen, da hat einer das fette neue, Auto, das sein Sohn so schnell mal mit Schwarzgeld gekauft hat, fahren wollen, es mit laufendem Motor wo abgestellt. Vergessen das (Schwarz)Geld auszuladen. Und sowas kommt unseren Gesetzeshütern nicht sehr unkoscher vor? Also mir schon. So wie als kürzlich frühmorgens in unserer Siedlung ein gehbehinderter (russischer) Opa vom Balkon aus dem Dritten sprang, bzw. gesprungen wurde, wie ich vermute. Keine Ermittlung. Ich vermute, da ist eine ganze russische Mafiagang tätig. Was deren Methoden sind, habe ich noch nicht ganz herausgefunden. Es hat aber irgendwie mit kläffenden Yorkshirehündli, verlassenen, fetten Limousinen, Schwarzgeldtaschen und schönen, umtriebigen Polizisten zu schaffen. Da schwirrt einem ja der Kopf. Immerhin habe ich kurz die Umwelt gerettet, das ist ja schon mal ein Anfang, oder nöd!

Foto: Das besagte Auto mit eigenhändig mit einem Kaugummi abgedecktem Nummernschild, alles hier so gedreht, dass man fast nichts erkennt, nicht, dass die mich noch besuchen, um die neugierige Hausfrau auch noch zu beseitigen, clever nicht?

www.marianneweissberg.ch

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Autor: Marianne Weissberg

Marianne Weissberg, studierte Historikerin/Anglistin, geboren in Zürich, aufgewachsen in Winterthur, ist ganz schön vollreif. Also eigentlich schon ewig da, was sie in ihren Knochen und im Hirn spürt. Lange Jahre verschlang das Lesepublikum ihre wegweisenden Artikel und Kolumnen in guten (und weniger guten) deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen. Persönlichkeiten aus Film, Literatur und Musik wie etwa Robert Redford, Isabel Allende und Leonard Cohen redeten mit der Journalistin, die ganz Persönliches wissen wollte, und es auch erfuhr. Irgendwann kam sie selbst mit einer Geschlechter-Satire in die Headlines und begann in deren Nachwehen ihre zweite Karriere als Buchautorin. Auch hier blieb sie ihrer Spezialität treu: Krankhaft nachzugrübeln und unverblümt Stellung zu beziehen, bzw. aufzuschreiben, was sonst niemand laut sagt. Lieblingsthemen: Das heutige Leben und die Liebe, Männer und Frauen – und was sie (miteinander) anstellen in unseren Zeiten der Hektik und Unverbindlichkeit. Und wenn man es exakt ansieht, gilt immer noch, jedenfalls für sie: Das Private ist immer auch politisch – und umgekehrt.

Sonst noch? Marianne Weissberg lebt mitten in Züri. Wenn sie nicht Kolumnen oder Tagebuch schreibt, kocht sie alte Familienrezepte neu, betrachtet Reruns von „Sex and the City“, liest Bücher ihrer literarischen Idole (Erica Jong, Nora Ephron, Cynthia Heimel) oder träumt davon, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht immer alles im richtigen Moment falsch gemacht hätte. Aber das wäre dann wieder so ein Thema für einen neuen Kult-Text.

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