in

Bruce Springsteen – Letter to you

Eine Albumkritik

„I’m alive
I can feel the blood shiver in my bones“

Bruce Springsteen meldet sich im ersten und hoffentlich letzten Corona-Herbst zurück mit einem Album, welches nach langer Zeit mal wieder mit der E-Street Band eingespielt wurde. Letter to you heisst das Werk und es beweist, dass man im Alter nicht zwingend leiser werden muss.

Das Album eröffnet mit One minute you’re here, einem melancholischen kurzen Track, der auch aus dem Devils & Dust-Album hätte stammen können.

Springsteen lässt seine Fans aber nicht lange in gedrückter Stimmung zurück. Er schaltet einen Gang höher mit Letter to you, einer satten und rockigen Nummer, welche den Radiostationen dieser Welt endlich mal wieder die Gelegenheit bietet, vernünftige Musik zu spielen. Ein erstes Ausrufezeichen. Spannend, dass in einer Zeit, in welcher der POTUS den US-Amerikanische Postservice dem Erdboden gleichmachen will, Springsteen mit Album- und Songtitel aufwartet, welches Letter to you heisst. Food for thought.

Mit Burnin‘ Train rocken Boss und Band weiter. Geiler und schneller Track.

Janey needs a Shooter heisst der vierte Titel und wurde vom Boss in den frühen Siebzigern geschrieben und gespielt, kam jedoch nie in den Genuss einer Studioversion. Bis heute. Ein typischer Springsteen-Song. Ein guter.

Last Man Standing ist der erste Song des Albums, welcher mich nicht wirklich abholt. Schade, denn dieses Stück beschreibt Springsteens Gefühl das letzte noch lebende Mitglied seiner ersten Band „The Castilles“ zu sein.

Und beim nächsten Track The Power of Prayer gings mir leider genau gleich. Keine wirklichen Lowlights, aber naja.

House of Thousand Guitars ist der siebte Track und hier treffen wir auf eine richtige Perle. Roy Bittans Piano, unterstützt von Springsteens alter und rauchiger Stimme sorgen für Gänsehaut und lassen dich den Lautstärkeregler höher drehen. Und für ein herrlich politfreies Album wirkt die Strophe „The criminal clown has stolen the throne, he steals what he can never own“ wie die Faust aufs Auge. Nur ein Satz, politischer wird der Boss auf diesem Album nicht. Zu scheisse wirkt die Welt momentan. Mehr Realität ertragen wir nicht. Danke. Was für ein Song. Danke.

Rainmaker, ein kraftvoll gesungen und gespielter Track, der live ein Highlight eines Konzerts werden könnte, hat mich aber hier nicht vollends in seinen Bann gezogen.

Mit If I was the Priest folgt ein weiterer Song, den Springsteen bereits Anfang seiner Karriere geschrieben hat und der auch auf einigen Bootlegs erschienen ist. Neu eingespielt im letzten Jahr ist dies ein weiterer starker Track, in welchem man eigentlich heulen könnte, dass diese hier musizierenden Herren und Damen vor dem Altwerden auch nicht geschützt sind.

Der Übersong schlechthin. Einer seiner Besten. Echt, meine ich so. Ghosts ist ein Brett. Ein unglaublicher Rocksong mit mehr Bedeutung als alles, was du in drei Jahren auf den sozialen Medien konsumieren könntest. Wir werden alle älter und werden zwanghaft unsere geliebten Menschen um uns herum mal verlieren. Bruce hats erlebt. Oft. Dies verarbeitet er in einer Rockhymne, wie es nur dieser aus New Jersey stammende Rockgott kann. Gänsehaut bei jeder Zeile. Die Bilder von Danny Federici und von Clarence Clemons vor dem inneren Auge. Und gegen Ende setzt Jakes Saxophon ein. Wow. Orgasmisch. „I’m alive“. Die vielleicht passendste Aussage für die jetztige Zeit. Alles was zählt. Mehr Optimismus geht grad nicht.

Song for Orphans wirkt beinahe beruhigend, ein weiterer Song aus Springsteens frühen Tagen, der damals nie das Licht der Welt erblick hatte. Bis heute. Schön.

Und mit I’ll See you in My dreams endet dieses Werk. Noch einmal wirds melancholisch, aber, doch nicht so wirklich, denn irgendwo ist hier eine ganz positive Note versteckt. Noch einmal schrammen die E-Streeters die Gitarren, noch einmal haut Max Weinberg auf seine Drums, noch einmal spielt Roy Bittan sein Piano. Und irgendwas sagt mir, die E-Street Band hat ihre letzten Noten noch nicht gespielt. Noch lange nicht.

Fazit: Ich kann meine Begeisterung kaum zügeln. Dies ist seit Wrecking Ball Springsteens rockigstes Werk. Vielleicht sein Bestes seit The Rising, ja, vielleicht eines der Besten seines gesamten Schaffens. Ich kanns nicht beurteilen. Bruce Springsteen ist die Gegenwart der Rockmusik. Und hoffentlich weiterhin seine Zukunft.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Dominik Hug

Mitdreissiger. Basler. Auch im Erfolg stets unzufriedener FCB-Fan. Filmkritiker. Leidenschaftlicher Blogger. Strassensportler. Apple User. Hat eine Schwäche für gute Düfte. Liest eBooks. Hört gerne Rockmusik. Fährt einen Kleinstwagen. Geht gerne im Ausland shoppen. Herzkalifornier. Hund vor Katze. Hat immer eine Sonnebrille dabei. Gelegentlicher XBox-Zocker. Hat 2016 überlebt.

Facebook Profil

Ist unser Selbst nichts als ein verzogenes Gör?

Star Trek: Discovery – «Ein Zeichen der Hoffnung, Teil 1»