in

Mike Low: Der weisse Junge in der U-Bahn – Ein Interview

Brigitte Fässler

Er hat Musik nicht nur im Blut, sondern auch in den Knochen. Mike Low, Markenzeichen Hut und Piano, steht kurz vor dem Release seiner neuen Single. Wir trafen den sympathischen Baselbieter und sprachen mit ihm über Musik, Arbeit und Auftritte in TV-Sendungen.

Kult: Was genau darfst du mir eigentlich über deinen Auftritt beim grössten Schweizertalent auf SRF erzählen?

Mike: Haha, nichts, gar nichts. Jedenfalls nichts über den Ablauf hinter den Kulissen.

Kult: Als ich dich dort auf der Bühne stehen sah, fand ichs für ein paar Sekunden sehr geil. Bis ich dann realisiert habe, dass du nicht deinen eigenen Song sondern A Sky Full of Stars von Coldplay performen musst. Das ist eigentlich nicht die Musik die ich von dir hören will.

Mike: Das ist eigentlich auch nicht die Musik, die ich von mir hören will. Sagen wir so, es wurde mir sehr nahe gelegt ein Cover zu bringen. Man sollte nicht einen eigenen Song in der ersten Runde bringen. So schlug man mir Coldplay vor.

Kult: Ist Susanne Kunz wirklich so unsympathisch oder wirkt das nur dank dem Zusammenschnitt so?

Mike: Das ist einfach ihre Rolle. In anderen Sendungen, wie bei 1 gegen 100, wirkt sie viel sympatischer.

Kult: Da mag ich sie aber auch nicht so richtig. Hast du von deinem Auftritt beim Schweizer Talent irgendwie profitieren können?

Mike: Die Erfahrung mich mal im richtig grossen Schaufenster präsentieren zu können plus eine Woche Facebook-Rummel mit etwas Fan-Zuwachs. Aber im Freundeskreis und im erweiterten Umfeld war es schon ein grosses Thema. Ich glaube aber auch, dass The Voice das bessere Format für mich wäre als das Schweizer Talent.

Kult: Auf iTunes fand ich leider nur deine EP To Be Free.

Mike: Auf igroove.ch, eine Art Fairtrade-Plattform, auf welcher Musiker wesentlich grössere finanzielle Anteile bekommen als auf iTunes, findest du auch mein Album Mike Low & Band Live At Sud, eine Performance aus dem Sud Basel mit meiner damaligen Band The Mike Story.

Kult: Vor zwei Jahren bist du mit The Mike Story ja auch durch die baltischen Staaten getourt. Gibt es die Band noch?

Mike: Die Band gibt es so nicht mehr. Viele Leute haben mich darauf angesprochen, warum ich mich denn The Mike Story nenne und nicht einfach als Mike Low Musik mache. Ich wollte jedoch die Band stets hervorheben. Jedoch, The Bianca Story gibts ja auch noch. So hab ich mich dann entschieden einfach als Mike Low weiterzumachen. Ed Sheeran nennt sich Ed Sheeran. Mike Low nennt sich Mike Low. Ganz einfach.

Kult: Ich las vor einiger Zeit einen interessanten Artikel über dich. Du hast vor einiger Zeit für einen Grosskonzern gearbeitet?

Mike: Genau. Ich arbeitete bis vor sechs Jahren für eine Kosmetikfirma als Brand Manager. Weißt du, mit 14 Jahren habe ich angefangen Musik zu machen. Nach der Ausbildung nahm ich dann einen Sachbearbeiterjob an und habe drei- bis viermal die Woche noch in irgendeiner Form Musik gemacht. Man erkannte mich damals auf der Strasse, weil ich stets in letzter Sekunde auf den Bus gerannt bin – beladen mit einem klobigen Keyboard. Später spielte ich in einer Mundartrockband. Wir spielten Cover von Züri West und Gölä. Baschi gehörte auch zur Band. Danach ging ich für ein Jahr nach Los Angeles an eine Musikschule.

Kult: Ich liebe L.A.

Mike: Niemand liebt L.A.

Kult: Stimmt. L.A. hasst eigentlich jeder ausser mir, aber ich hasse es irgendwie ja auch. Wie war das Leben in Südkalifornien denn so?

Mike: Nun, ich habe in Hollywood gelebt, 20 Meter vom Hollywood Boulevard entfernt. Alles war sehr turbulent. Hollywood war damals noch ein wenig schmudeliger.

Kult: Ich finds heute immer noch schmudelig.

Mike: Sie haben die Gegend doch ein wenig aufgewertet, oder? Wände neu gestrichen und ein paar Cafés eröffnet.

Kult: Schon. Aber irgendwie ist der Ort immer noch abgefuckt genug. Meine Freundin war damals schockiert, als wir zum ersten Mal gemeinsam da waren.

Mike. Mich faszinierte die Vielfalt der Bezirke in L.A. Da hast du die schönen Bezirke, Westwood, Santa Monica Beach fand ich superschön, Venice, dieser crazy Ort, das eher abgefuckte Hollywood. Ich musste einst in South Central, einem der eher unangenehmeren Viertel von Los Angeles, die U-Bahn wechseln. Ich war der einzige Weisse im ganzen Wagen. Und als zwei Typen anfingen zu singen „White Boy is takin’ the subway, white boy is takin’ the subway“ war mir ein wenig unwohl.

Kult: Was hast du in Los Angeles studiert?

Mike: Ich war am KIT, dem Keyboard Institute of Technology und habe mit einer lokalen Band immer wieder Gigs gespielt, mit einer alternativen Rockband und auch mit einer schwedischen Künstlerin. Ich machte auch diverse Auditions. Unter anderem für Avril Lavigne.

Kult: Was hast du danach noch gemacht?

Mike: Nach meiner Rückkehr in die Schweiz reiste ich noch ein bisschen durch die Welt. Ich ging auch zurück in die USA. Und ich spielte in China als Strassenmusiker. Das war richtig geil. Da fängst du an zu spielen und innerhalb weniger Minuten bist du umzingelt von Zuhörern.

Kult: Irgendwann gehörtest du dann aber auch zu uns Bürohengsten.

Mike: Genau. Ich fing bald darauf an zu arbeiten und verlor ich die Musik ein wenig. Ich war nur noch am arbeiten und hatte keine Zeit mehr für meine Leidenschaft. So entschied ich mich für ein Kinesiologie-Studium und habe mich danach selbständig gemacht.

Kult: Dein Song To Be Free scheint ja einen autobiographischen Hintergrund zu haben

Mike: Den hab ich genau in dieser Phase während meiner Sinnkrise geschrieben. Eigentlich braucht es nicht viel um glücklich zu sein. Und genau davon handelt der Song. Im zweiten Refrain singe ich von meiner Chefin, die eine Lohnerhöhung wollte. Dabei verdiente sie doch mehr als genug um gut Leben zu können. Sie war single, hatte keine Kinder, keine Verpflichtungen sonst, und benötigte eine Lohnerhöhung, nur weil sie ihr Vermögen im riskanten Aktienmarkt anlegte?

Kult: Weiss deine Ex-Chefin eigentlich, dass sie in einem Song vorkommt?

Mike: Vielleicht hat sie’s mitbekommen, aber ich weiss nicht.

Kult: Weg von der Kosmetikfirma auf zu neuen Ufern also. Wenn ich deine Texte richtig interpretiere, warst du damals ziemlich ausgebrannt?

Mike: Nun, das war eine einjährigen Entwicklung damals, als ich feststellen musste, dass mein Berufsleben meiner Seele so nicht mehr gut tut. Der Wechsel vom Aussen- in den Innendienst war schwierig. Ich erinnere mich noch, wie ich damals ein Projekt abgeschlossen habe, mein Chef damals sich vor dem Team noch bei mir bedankt hatte „Danke vielmal Mike, der hat seine drei Wochen Ferien in Südkorea nun schwer verdient“ und als meine Mitarbeiter zu klatschen angefangen haben bin ich innerlich fast zusammengebrochen. In den Ferien in Asien habe ich mir dann gedacht „hey, du bist an einem coolen Ort in den Ferien und kannst es überhaupt nicht geniessen“, das war damals der Wendepunkt.

Kult: Also, dein Wake up call eigentlich.

Mike: Wake up call! Das wäre ein guter Songtitel.

Kult: Den hat Phil Collins schon gemacht. Kannst ihn ja trotzdem wieder verwenden.

Mike: Schlussendlich war dieses Erlebnis in meiner alten Firma jedoch mein Glück, hat es mich danach auf meinen neuen Weg verschlagen.

Kult: Und dann Kinesiologie.

Mike: Genau. Ich habe überlegt, was mir genau neben der Musik noch Freude bereitet. Musik ist geil, aber ein sehr hartes Business. In der Schweiz sowieso. Eigentlich sehr ironisch. Wir haben in der Schweiz Geld wie Heu, aber durch den sehr kleinen Markt springt für uns Musiker einfach nicht soviel ab. Ich habe mich aber schon immer für Heilung, Gesundheit und Meditation interessiert. So stiess ich auf Kinesiologie.

Kult: Zurück zur Musik. Hattest du jetzt eigentlich ein Break zwischen deinem musikalischen Schaffen von vor zwei bis drei Jahren und jetzt?

Mike: Das war eine Entwicklung. Mit dem Erscheinen der EP To Be Free habe ich auch gleichzeitig einen Produzenten gesucht. Ich performe sehr gerne live, schreibe sehr gerne neue Songs, aber ich habe nicht viel Vergnügen daran stundenlang am Computer zu sitzen und meine Songs zu bearbeiten. Chris Haffner von Myron hat dann die Rolle des Producers eingenommen und hat den Songs noch mehr Farbe verliehen.

Kult: Deine neue Single steht bereits in den Startlöchern?

Mike: Am 3. Juni erscheint I Won’t Judge . Der Song wurde mit Ramon Vaca von Helium Records produziert, aufgenommen und hat einen moderneren und dancelastigen Touch. Mittlerweile haben wir drei Songs zusammen aufgenommen, welche nacheinander in den nächsten Monaten erscheinen werden.

Kult: Cool. Dann kannst du beim nächsten Jahr ja die Schweiz am Eurovision Song Contest vertreten.

Mike: Die nächste umstrittene TV-Sendung… hahaha…

Mike Low – I Won’t Judge erscheint am 3. Juni 2016 zum download auf igroove.ch

Geplante Konzerte:
Freitag, 3. Juni 2016 im Barakuba, Basel
Samstag, 23. Juli 2016 im Veranda Pellicano, Basel
Samstag, 20. August 2016 am OpenAir Schloss Klingnau
Sonntag, 21. August 2016 am Breitlemerfest, Basel

Mike Low – To Be Free at Basel Unplugged (by Basel Urban Events)

Gefällt dir dieser Beitrag?

One Comment

Leave a Reply

One Ping

  1. Pingback:

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Dominik Hug

Mitdreissiger. Basler. Auch im Erfolg stets unzufriedener FCB-Fan. Filmkritiker. Leidenschaftlicher Blogger. Strassensportler. Apple User. Hat eine Schwäche für gute Düfte. Liest eBooks. Hört gerne Rockmusik. Fährt einen Kleinstwagen. Geht gerne im Ausland shoppen. Herzkalifornier. Hund vor Katze. Hat immer eine Sonnebrille dabei. Gelegentlicher XBox-Zocker. Hat 2016 überlebt.

Facebook Profil

Präsident Erdogan hat jetzt einen Grossen. (Der Wochenrückblick 19/2016)

Friedliche Koexistenz – Boy, you gotta love your Car-Car-Girl!