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Yes No-Billag? Rechnen wir doch mal ab, äh nach!

Seit Monaten tobt in der Schweiz die No-Billag-Debatte. (Weiss jemand, was Billag eigentlich heisst?) Ich habe den Eindruck, dass es um to be oder not to be des öffentlichen Sendeangebots, sei es Fernsehen oder Radio, geht. Und ich wundere mich längst, wieso es keinen Gegenvorschlag gibt. Also wie man diese DDR-ähnliche Einrichtung/Art und Weise, die Gebühren einzutreiben, ändern könnte. Zum Beispiel, sie charmanter zu machen. Ich bezahle ja die aktuellen, saftigen Gebühren in dreimonatlichen Raten, denn eine Jahres-Rechnung von fast 500 Franken ins Januar-Budget zu pressen, tut (mir) weh. Anderen auch, ich habe nachgefragt. Ich muss deshalb einen Raten-Zuschlag akzeptieren. Der ist nicht schaurig hoch, aber vorhanden. Ist das eigentlich legal? Die Rechnung hat in etwa den Charme eines Berichts vom Steueramt. Kein: Es freut uns, dass Sie unser Angebot nutzen wollen, kein: Dankeschön, dass sie pünktlich bezahlen. Es heisst: Abbdrücken, sonst kommen wir vorbei und nehmen Ihren Fernseh und das popelige Radio, das auf Ihrem Küchentresen steht und mit Saucenflecken bekleckert ist, weg!

Dieses Radio, das ich jeweils panikartig abstellen, wenn ich das Quizprogramm, das frohmorgens vom Schweizer Radio verdudelt wird, anhören sollte. Weil das Programm dann genauso so nervig klingt wie dasjenige der nervigen Privatsender. Dass ich gleich leiser stelle, wenn verschwurbelt und stottrig über Kultur geschwafelt wird. So dass ich mich wundere, ob Vortragenden in meinem kleinen Radio keine ordentlich Ausbildung in Moderation erhalten? Vielleicht sollte ich mich auch mal bei diesem Jekami-Sender melden, um dies hier live vorzulesen? Es wurde ja auch schnell runtergeschrieben, vor dem Morgenkafi, also wie ganz vieles in meinem Radiöli.

Äh, wo war ich? Genau bei Yes oder No-Billag und meinen ganz persönlichen Gegenvorschlag: Ich will schlicht weniger bezahlen. Hier meine Rechnung: Ich subtrahiere einen zünftigen Betrag für all diese SRF bi dää Lüüt-Sendungen (jassen, jodeln, hornussen, wandern) in meinem Fernseher. Und nein, ich möchte auch keine Austauschprogramme für Schwinger nach Japan ansehen oder Kochsendungen, in denen holde Maiden in Trachten in Hinterfurzikon sich gegenseitig bekochen und sich dann Noten dafür geben. Und wenn ich grad dabei bin, ich bin auch kein Fussball/Skirennen/Tennisfan. Sogar die Sternstunden-Sendungen kann ich mir nicht mehr antun, seit da Moderations-Greenhorns vor durchaus interessanten Gästen dilettieren. Oder jene Dok-Sendungen, die nach dem Prinzip produziert werden: Ou, wir haben noch jede Menge im Gebührentopf, machen wir doch eine Dokumentation über prämierte Chüngel in Bümplizer Pünten oder über frischgebackene Renten-Ehepaare, die schampar froh sind, dass sie nun statt zu schaffen Himbeeressig aus dem eigenen Gärtli herstellen oder Enkeli hüten dürfen. Hat man beim Schweizer Fernseh noch nie über das echte Leben, das urbane, geforscht? Über Sendungen,  die telquel bei anderen Sendern abgekupfert wurden, in denen etwa um die Wette gesungen oder dekoriert wird, kann ich nichts sagen, noch nie angesehen. Da muss ich also auch etwas abziehen. Und jetzt auch für den gerade laufenden Beitrag im Radio, der vor kaum einer halben Stunden wörtlich schon mal gesendet wurde.

Leider bin ich auch keine Nachrichtenseherin auf dem Schweizer-Yes-Billag-Sender. Da moderieren offensichtlich einige Ehepaare, bis sie gut dotiert in Rente gehen dürfen. Wenn Pannen beim Ablauf der Nachrichten passieren, regelmässig, dann können die das anschliessend gemeisam dihei Revue passieren lassen. Aber ist doch irgendwie herzig, dass ganze gebührenfinanzierte Mischpochen und Seilschaften in den Schweizer Sendeanstalten mitmachen dürfen. SRF i dä Familie, gäll? Stopp, es ist ein wenig unfair, wenn ich da überhaupt mitrede, denn ich bin punkto News längst ins Ausland desertiert, zu BBC, CNN, Arte, ARD, ZDF. Es könnte natürlich sein, dass die Schweiz dort irgendwie mitfinanziert, also wäre ich bereit, einen dementsprechenden Gebührenbetrag dorthin zu bezahlen.

Wenn ich jetzt so zusammenrechne, was übrig bleibt, tja, da bleibt wenig an Goodwill, den ich in Form von Gebühren bezahlen will: sagen wir mal 20 und äs bizli Münz- Franken pro Monat wäre okay. (Muss ja noch was für Netflix vorig haben…) Einfach, damit ich weiss, dass bei einem Notfall die Bevölkerungs-Infos auch zu mir durchdringen. Wobei, da bin ich mir nicht so sicher, wenn man so die Pannenhäufigkeit oder eben Flexibilität der öffentlichen Sendeanstalt bedenkt. Wenn es brennt, sie pennt – oder schmollt, wie aktuell.

www.marianneweissberg.ch

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Autor: Marianne Weissberg

Marianne Weissberg, studierte Historikerin/Anglistin, geboren in Zürich, aufgewachsen in Winterthur, ist ganz schön vollreif. Also eigentlich schon ewig da, was sie in ihren Knochen und im Hirn spürt. Lange Jahre verschlang das Lesepublikum ihre wegweisenden Artikel und Kolumnen in guten (und weniger guten) deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen. Persönlichkeiten aus Film, Literatur und Musik wie etwa Robert Redford, Isabel Allende und Leonard Cohen redeten mit der Journalistin, die ganz Persönliches wissen wollte, und es auch erfuhr. Irgendwann kam sie selbst mit einer Geschlechter-Satire in die Headlines und begann in deren Nachwehen ihre zweite Karriere als Buchautorin. Auch hier blieb sie ihrer Spezialität treu: Krankhaft nachzugrübeln und unverblümt Stellung zu beziehen, bzw. aufzuschreiben, was sonst niemand laut sagt. Lieblingsthemen: Das heutige Leben und die Liebe, Männer und Frauen – und was sie (miteinander) anstellen in unseren Zeiten der Hektik und Unverbindlichkeit. Und wenn man es exakt ansieht, gilt immer noch, jedenfalls für sie: Das Private ist immer auch politisch – und umgekehrt.

Sonst noch? Marianne Weissberg lebt mitten in Züri. Wenn sie nicht Kolumnen oder Tagebuch schreibt, kocht sie alte Familienrezepte neu, betrachtet Reruns von „Sex and the City“, liest Bücher ihrer literarischen Idole (Erica Jong, Nora Ephron, Cynthia Heimel) oder träumt davon, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht immer alles im richtigen Moment falsch gemacht hätte. Aber das wäre dann wieder so ein Thema für einen neuen Kult-Text.

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