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Kate Bush: Ungebrochene Liebe für eine Unberechenbare

Warum eigentlich über Kate Bush sprechen. Vielleicht weil alle ihre Platten nochmals in luxuriösen Box-Sets erscheinen. Und weil sie sechzig geworden ist. Und auch, weil sie zwar nie als cool durchgegangen ist, aber sich nie einen Scheiss darum geschert hat.

Ein Schrei. Und was für einer. Gut zu hören über die Moore Nordenglands hinweg. Vor vierzig Jahren brüllte eine neunzehnjährige Arzttochter aus einem ruhigen Vorort von London ihre Sehnsucht in die Welt hinaus: «Heathcliff, it’s me Cathy, I’ve come home, I’m so cold.» Dummerweise hat der junge Mann kein Musikgehör und die Sängerin bleibt nur die einsame, verlorene Suche in der Nacht. Die Arzttochter muss auf der Farm ihrer Eltern viel gelesen haben. Literatur ist nicht nur im ersten Hit von Kate Bush präsent, immer wieder tauchen literarische Momente auf, wie eben der Song, der sich um den Roman «Wuthering Heights» der englischen Schriftstellerin Emily Bronte dreht. Zwar landete Kate Bush 1978 gleich einen ersten Hit, ging mit ihrer Platte «The Kick Inside» auf die theatralische «Tour Of Life» – nichts weniger – und wurde gefeiert. Als cool galten damals aber natürlich andere.

Im Nebel der Joints, der Punk-Revolte und den Jugend-Unruhen klang die Stimme von Kate Bush zu hysterisch, zu hoch, ihr Sound passte weder in die Prog-Rock noch in die Pop-Schublade, obwohl damals die Unterscheidungen der Stile noch nicht so akribisch verfeinert war, wie heute. Während vor vierzig Jahren Sängerinnen ebenfalls gefeiert wurden, so war Bush dennoch eine Ausnahme. Sie schrieb ihr Material selbst, setzte sich auf ernsthafte Weise mit Sexualität und gar Abtreibung auseinander und beendete ihr erstes Album, das nicht mit übertriebenem Groove glänzt mit einem Reggae-Song.

Zu «Wuthering Heights» gehört auch, dass sich dazu recht gut tanzen lässt. So drehte man sich in den Achtzigern expressiv, man zitterte, wenn der Wind übers Moor fetzte und bei hektischen Drehungen drohte man zu fallen. Der Song gehört zu den Bhagwhan-Discos und den Achtzigern. Inzwischen gehört passt man natürlich auf, schliesslich will man nach dem Nachtessen nicht mit einer hektischen Drehung die Kaffeemaschine oder das Rack mit den Designermessern umschmeissen.

Mitten im Lärm der Jugend-Revolte feierte ausgerechnet eine frühreife Erwachsene ihren Durchbruch. Bemerkenswert neben dem damals hohen Nerd-Faktor ist, dass Bush mindestens in England allen Songwriterinnen den Weg ebnete. Während damals vielleicht Carole King oder Rickie Lee Jones eigene Songs schrieben, so tummelten sich damals kaum Frauen mit eigenen Songs in der Pop- und Rock-Szene. Im Juli feierte die Engländerin ihren sechzigsten Geburtstag, geriet in die Schlagzeilen, weil ihr Haus an der Küste zu sehr mit Kameras und hohen Mauern gesichert sei, so dass auch ein beliebter Küstenabschnitt in der Idylle der öffentlich sei von den privaten Kameras gefilmt werde. Darum fühlen sich die Landbewohner wie Verbrecher.

Sonst jedoch ist die Unterwerfung der Fans total: Es gibt einen Facebook-Countdown in Erwartung der Veröffentlichung neuer Remasters aller Alben, die vielleicht überflüssig sind, was echte Fans aber kaum abschrecken wird. Noch immer wird in Gruppen und Foren intensiv diskutiert, warum es keinen Film von den Shows im Hammersmith Apollo von 2014 gibt. Ein riesiger Hype um einen zuftiefst uncoolen Popstar. Klar, «And So Is Love» ist eines der traurigsten und resigniertesten Liebeslieder überhaupt. Das Album ist das Unerschrockenste und das Beste. Ob nun cool oder nicht, Kate Bush hat nie ein Risiko gescheut. Im Hinblick auf die Re-Issues sagt sie zum Mojo-Magazin: «Ich hätte mir nur gewünscht, es wäre nicht immer so schwierig gewesen.»

Unberechenbar, wie sie ist, ging Kate Bush 1993 mit «The Red Shoes» in Pension. Mit «Hounds Of Love» hatte sie in den Achtzigern den weltweiten Durchbruch gefeiert, nahm noch zwei Platten auf, um dann zwölf Jahre zu schweigen. Es schien wirklich zu schwierig geworden zu sein. Mit der «Wäscheleine-Platte» «Aerial kehrte Bush 2005 mit einem Doppelalbum zurück. Experimentelle Musik und Texte, die sich eben teilweise um Alltägliches, wie eben das Wäsche aufhängen drehen. Auch Songs wie «Joanni», die an lyrischer Schönheit kaum zu überbieten sind, aber rätselhaft zwischen Pop, Klassik und World Music hängenbleiben. Nach zwölf Jahren Pause verkaufte Bush mehr als eine Million Alben, obwohl fast nur «King Of The Mountain» als Popsong durchgehen kann.

Zu den den Kate-Bush-Momenten gehört immer die Stimme. Sie galt immer als nervig, zu hoch und überspannt. Erst bei den 22 ausverkauften Konzerten im Hammersmith ist die Stimme, der damals 56-jährigen etwas tiefer, angenehmer, ordentlich brüllen konnte die Dame aber immer noch. In Rekordzeit waren die 22 Konzerte ausverkauft und bei ihrer erst zweiten Tournee in vierzig Jahren wurde sie empfangen wie eine Göttin. In London gab es drei Akte, das Publikum wurde mit Stücken des modernen Komponisten Eberhard Weber auf das Konzert eingestimmt, womit auch gleich geklärt war, in welche Richtung sich Bushs musikalische Interessen entwickelt haben. Sonst bleibt die Erinnerung an seltsame Fischmenschen, die sich auf der Bühne tummelten, an einen Hubschrauber, der für Dramatik sorgen sollte und an die ungebrochene Liebe für eine Unberechenbare.

Sie war eine lästige Hochbegabte, die in der MTV-Zeit perfekt inszenierte Videos drehte, sich peinlich verrenkte, eine junge hübsche Frau, die begeistert tanzte, es aber nie richtig lernte. Die Fotos aus dieser Zeit zeigen sie oft mit einer Zigarette in der einen und einem Glas in der anderen Hand. Und aus jungen Jahren gibt es sehr viele Fotos. Später wird Catherine Bush die Türe zuschlagen. Sie wird Musik machen, richtig geile Musik, aber nur ganz selten auftreten und fast noch seltener in der Öffentlichkeit erscheinen oder Interviews geben. Und sie kam damit durch. Heute ist sie eine rätselhafte Göttin, eine Millionärin mit mehreren Häusern an der englischen Südküste. Kate selbst sagte es selbst einmal zu einem ihrer Biografen so: «Bitte nennt mich nie wieder die Arzttochter aus Kent und bitte nennt mich nie wieder eine Elfe. Das macht mich krank. Ich bin keine Elfe, ich bin eine Frau. Ich bin nicht so furchtbar lieb und gut, wie man mich immer darstellt.» Und so haben wir uns gedreht, haben gezittert und hoffen bis heute nicht zu fallen.

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Autor: Andy Strässle

Andy Strässle umarmt Bäume, mag Corinne Mauch und verleugnet seine Wurzeln: Kein Wunder, wenn man aus Blätzbums stammt. Würde gerne saufen können wie Hemingway, hat aber immerhin ein paar Essays über den Mann zu stande gebracht. Sein musikalischer Geschmack ist unaussprechlich, von Kunst versteht er auch nichts und letztlich gelingt es ihm immer seltener sich in die intellektuelle Pose zu werfen. Der innere Bankrott erscheint ihm als die feste Währung auf der das gegenwärtige Denken aufgebaut ist und darum erschreckt es ihn nicht als Journalist sein Geld zu verdienen.

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